Asienreise 2010-2011

Am 11. April war es nun endlich soweit: Reisevorbereitungen waren weitestgehend abgeschlossen, Geld war gespart und Baustellen zu Hause halbwegs abgearbeitet. So starteten wir mit leichter Verspätung in Richtung Stuttgart, unserer ersten Zwischenstation. Dort besuchten wir Carina, Heiko und den 3 Monate alten Leo. Nach Kaffee und Kuchen ging es für uns gestärkt weiter. In der Nähe von Ulm suchten wir unseren ersten Schlafplatz. Am nächsten Morgen hieß es zum letzten Mal bei Obi und Penny einzukaufen. Voll bepackt fuhren wir weiter. In Österreich lotste uns unser Navi anstatt über die Autobahn über zwei Bergpässe. Wir hatten noch bei den Routenoptionen „Mautstraßen vermeiden“ vom letzten Frankreichurlaub eingespeichert. So wurde unser Brauner ungewollt schon mal auf Bergetappen getestet. Nach einer weiteren Nacht auf einem Rasthof ging es über die slowenische Grenze. Eine frisch asphaltierte Autobahn führte uns schnell nach Kroatien. Dort wollten wir eigentlich erst einmal ein paar Tage am Strand von den letzten Wochen erholen. Da es aber seit Deutschland ununterbrochen Bindfäden regnete fuhren wir weiter. Wir beschlossen so lange zu fahren bis die Sonne wieder zu sehen war.
Die nächste Nacht verbrachten wir an einem riesigen Steinbruch. D.h. die ganze Nacht wurde gesprengt und LKW´s brummten mit Gestein beladen an uns vorbei. Einen besseren Schlafplatz konnten wir in dem Sauwetter nicht ausfindig machen und so ging es gleich im Morgengrauen weiter über die bosnische Grenze. 20 km später waren wir wieder in Kroatien. Da es immer noch regnete fuhren wir weiter nach Montenegro. Auffallend war hier, dass viele hier per Anhalter fahren. Nicht nur junge Menschen, auch alte Frauen, ja ganze Familien. An der Grenze zu Albanien fanden wir einen weiteren Schlafplatz, diesmal ohne Regen, aber auch ohne Sonne.
Am nächsten Morgen staunten wir nicht schlecht, als wir die albanische Nationalstraße sahen. Ein Schlagloch reihte sich an das Nächste. Eine Holperpartie, die wir erst in Pakistan erwartet hatten, führte dazu, dass wir eine Durchschnittsgeschwindigkeit von nur 15 km/h erreichten. Albanien gefiel uns aber auf Anhieb: hier fuhren noch Pferdekutschen, Metzger hingen ihre frisch geschlachteten Tiere zur Schau an Haken auf, die Straßen waren voll von einem Gewusel an Menschen, wie wir es nur aus Asien kennen. Schade nur, dass es regnete und wir nicht ein paar Tage bleiben wollten. Die Nationalstraße wurde nach 100 km besser und so konnten wir schnell weiter nach Mazedonien. In Ohrid übernachteten wir an einer Tankstelle. Die Besichtigung der eigentlich schönsten Stadt Mazedoniens fiel wiederum ins Wasser. Kaum waren wir über die griechische Grenze kam die Sonne raus. Endlich! Nach 6 Tagen Regenwetter fuhren wir schnell ans Meer, auf die Halbinsel Sithonia auf Chalkidiki. Dort kamen wir endlich dazu Ordnung im Bus zu schaffen, einige Reparaturen durchzuführen und Wäsche zu waschen.
Am zweiten Tag der Ruhe stellten wir entsetzt fest, dass unser Bus vorne links fast keinen Spielraum mehr im Radkasten hatte. Die in Deutschland noch frisch ausgetauschten Federn standen im Verdacht. Irgendwas stimmte hier nicht. Da musste wohl eine neue Feder her. Unser Plan: wir schauen unterwegs nach einem alten T3, bauen nach Genehmigung des Besitzers die Federn aus und lassen sie in einer Werkstatt in unseren Braunen einbauen. Los ging die Suche: schnell fanden wir einen traurig dastehenden T3. Der Besitzer war mit dem Ausbau allerdings nicht einverstanden, da er den Bus noch als Lagerraum benötigte. Dafür half uns der zufällig dastehende Deutsch-Grieche Alexander weiter. Er fuhr mit uns in eine Werkstatt und dolmetschte. Die beiden Mechaniker begutachteten die Feder, naja, sie hängt zwar durch, aber eigentlich sei sie noch funktionstüchtig. „Auch bis Nepal?“, fragten wir. Gelächter…und Zustimmung… ob sie wussten wo Nepal liegt? Egal, wir sollten so weiterfahren können.
So fuhren wir weitere 8 Tage durch Griechenland. Hier war so gut wie nichts los, da noch Nebensaison ist. Am Strand waren wir daher ungestört, konnten aber auch keine Bekanntschaften knüpfen. Glücklicherweise sahen wir eines abends am Strand 4 Delfine aus dem Wasser springen.
In der bergigen Landschaft Griechenlands liefen uns des Öfteren Schildkröten über den Weg. Da hieß es: bremsen, aussteigen, Schildkröte ins Grüne bringen und weiterfahren. Weiter ging es für uns zur türkischen Grenze. Zuvor hieß es tanken und Gasflasche füllen, da die Preise in der Türkei für Treibstoff gepfeffert sind.
Europa / Türkei (April bis Juni)









Kaum waren wir über die Grenze & in der Türkei machten wir uns auf den Weg nach Istanbul. Nach einer Nacht Zwischenstopp in einer unbekannten Stadt erreichten wir am nächsten Morgen das ehemalige Konstantinopel. Hier wollten wir nach 12 Jahren wilder Ehe endlich heiraten, weit weg von Deutschland und den dortigen Vorstellungen einer Hochzeit. Die notwendigen Papiere brachten wir aus Deutschland und Polen mit.
Nachdem unser Brauner sicher geparkt war, ging es erst einmal zu Fuß ins Zentrum. Dort wollten wir im Mavi Onur Guesthouse die Reservierungen unserer späteren Hochzeitsgesellschaft überprüfen. Nach einer mittelgroßen ungeplanten Sightseeingtour fanden wir das 3 Meter breite Gästehaus: die Reservierungen waren vorhanden. Der überaus freundliche Besitzer Ilker arrangierte außerdem eine kostenlose Parkmöglichkeit sowie Dusch- & Internetbenutzung.
Danach ging es weiter ins Standesamt von Istanbul. Dies war jedoch zweimal umgezogen, so dass wir zwei weitere Stadtteile kennen lernten. Im Amt sprach nur eine Frau gebrochenes englisch (die, wie sich später heraus stellte, uns ohne Dolmetscher trauen sollte). Sie erklärte uns die bürokratischen Voraussetzungen und schickte uns gleich mal zum Medical Check (bei den vielen arrangierten Ehen in der Türkei ist es wichtig, dass die Trauenden wissen welche Krankheiten der noch unbekannte Partner mit sich bringt). Dazu mussten wir zum röntgen (in einem vorm Standesamt geparkten Lieferwagen) und zur Blutabnahme.
Nach dieser Prozedur ging es zurück zu unserem mittlerweile weit entfernten Parkplatz, um den Bus umzuparken. Summa Summarum liefen wir an diesem Tag 26 km.
Am nächsten Morgen spürten wir unsere Füße nicht mehr, der Gewaltmarsch mit Flip Flops hatte Spuren hinterlassen. Dennoch mussten wir in den nächsten Tagen immer wieder zu Behörden, Fotostudios (unsere Passbilder aus Deutschland waren „not good quality“), Poliklinik,… und wegen eines Syrienvisums mehrmals zur syrischen Botschaft sowie zum deutschen Generalkonsulat. Der Hochzeitstermin klappte, das Syrienvisum nicht.
Nach zwei weiteren Tagen Ruhepause auf dem Parkplatz des Gästehauses verließen wir Istanbul in Richtung schwarzes Meer. Im grünen und ruhigen Kilyos parkten wir vor einem Nationalpark. Dort wanderten wir die nächsten Tage an der Küste entlang. Was uns hier besonders gefiel waren die täglich anwesenden Delfine, Schildkröten und Schlangen.
Zurück in Istanbul kam noch am gleichen Tag der erste Teil unserer Hochzeitsgesellschaft (Doro, Ka, Steffi & Christoph) an. Mit ihnen weihten wir unsere für die nächsten Tage angesagteste Location ein – die Dachterrasse des Gästehauses. In den darauf folgenden Tagen flogen auch noch Meike & Lucas sowie Petra & David ein. Ganz überraschend kam zwei Stunden vor der Trauung auch noch Ursel´s Bruder Bernhard an. Nun ging es mit der Straßenbahn zum Standesamt. Die gesamte Hochzeitsgesellschaft bot Ursel 100 Lira (ca. 50 €) an, wenn sie bei der Trauung anstatt Evet („Ja“), Efes (türkische Biersorte) sagt. Was sich Bread nicht zweimal sagen ließ. Ein türkischer Brauch ist es, dem Anderen nach Übergabe der Heiratsurkunde auf den Fuß zu treten. Der Schnellere hat damit das Sagen in der Ehe. Ursel hat somit weiterhin die Hosen an… Nach Dosen-Prosecco vorm Standesamt ging es zur Hochzeitsparty mit Barbecue & Efes-Bier zurück ins Gästehaus. Nach reicher Beschenkung verbrachten wir zum wiederholten Male einen lustigen & langen Abend auf der Dachterrasse. Für die Hochzeitsnacht überließ uns Ilker durch einen Deal mit Doro & Ka das Zimmer „Kappadokien“, die erste Nacht ohne unseren Braunen.
Nach drei weiteren stressfreien & lustigen Tagen hieß es Abschied nehmen, von unseren Freunden und Istanbul.
Doro & Ka reisten mit uns im Bus weiter. In Candarle und Foca genossen wir noch einmal die Sonne & das Meer. In Izmir war auch diese schöne Zeit vorbei & wir mussten wieder einmal Abschied nehmen.









Nachdem wir Doro & Ka am Flughafen von Izmir verabschiedet hatten, ging es für uns weiter nach Pamucak. Unser Nachtlager schlugen wir direkt am Strand auf. Was allerdings nicht lange hielt, denn bei Anbruch der Dunkelheit wurden wir zum ersten Mal in der Türkei von der Jandamerie vertrieben. Deswegen ging es mitten in der Nacht zum nahe gelegenen Ephesos. Und da wir schon mal da waren, besuchten wir die besterhaltene antike Stadt im Mittelmeerraum. Die Ruinen gefielen uns trotz einfallender Touristenmassen ganz gut.
Nach der Sightseeingtour fuhren weiter zum Dilek-Nationalpark, ein Naturpark mit Wanderwegen und schönen Buchten. Einen guten Schlafplatz für die nächsten Tage fanden wir in einer Bucht vorm Eingang. Bereits beim ersten Sprung ins Wasser entdeckten wir einen recht großen Oktopus. Da wir aus Kostengründen schon länger auf Fleisch bzw. Fisch verzichtet hatten, musste er dran glauben. Wir probierten mal wieder eine neue Zubereitungsart aus und siehe da, er schmeckte mal wieder nach Gummi. Nach Befragung von mehreren Experten konnten wir mittlerweile das Rätsel um die Zubereitung lösen: schlagen bis er schäumt und lange kochen. Den schön gestalteten Nationalpark erkundeten wir mit unseren Klapprädern, die zum ersten Mal richtig zum Einsatz kamen. Ein weiteres Highlight war die „Höhle des Zeus“, die mit eiskaltem Wasser gefüllt ist. Janus lies es sich nicht nehmen mit Schnorchel, Taucherbrille und Taschenlampe in einer Plastiktüte die Höhle zu erkunden. Sehr zum Erstauen der Einheimischen, die sich in einer Doppelreihe am Ufer aufstellten.
Nach ein paar schönen Tagen ging es zu weiteren antiken Städten nach Priene & Milet. Vor allem Letztere gefiel uns super, mit seinem riesigen Theater und seinen zum Teil am Wasser gelegenen Ruinen. Der erschwingliche Eintrittspreis (1,50 Euro) und die kaum vorhandenen Touristen versüßten das Ganze noch.
Weiter ging unsere Fahrt nach Kabak, bei Ölüdeniz, wo wir zum ersten Mal richtige Overlander trafen. Meli, Markus und Hund Finn waren gerade auf dem Heimweg aus Indien. In unserem ersten Overlander-Camp wurden wir mit zahlreichen Infos und Geschichten zur Strecke beglückt. Nach zwei Tagen trennten sich unsere Wege und wir klapperten alleine die Küste ab. Wir staunten über die wunderschönen Buchten, die uns eher an Südostasien erinnerten.
Einen sehr schönen Stellplatz für eine Woche fanden wir unter riesigen Schirmpinien am Strand von Olympos. Dass dort die Caretta-Schildkröte ihre Eier ablegt, konnten wir bei dem teilweisen Trubel am Strand kaum glauben. Als wir eines Morgens aber eindeutige Spuren (siehe Foto) entdeckten, wurden wir eines Besseren belehrt. Die Ruhe in unserem gemütlichen Camp wurde zweimal durch eine vom Baum herabfallende Schlange direkt vor Ursels Füße gestört. Beide, sowohl Ursel als auch die Schlange, ergriffen sofort die Flucht und der vermeintlich rettende Sprung in den Bus wurde mit zwei großen Beulen am Kopf belohnt. Im Hinterland von Olympos befindet sich das sagenumwobene Chimaira, oder auch brennender Fels genannt. Aus mehren Stellen am Berg entweicht Gas, das sich bei Kontakt mit Luft entzündet und verbrennt. Schon seit hunderten von Jahren lodern die Flammen unentwegt. Ein schönes Schauspiel, besonders in der Abenddämmerung.
Unseren nächsten Stopp legten wir im Städtchen Aksu bei Egirdir ein, um die Zindan-Höhle zu erkunden. Nach der Besichtigung der wirklich schönen und empfehlenswerten Höhle, trafen wir beim Ausgang auf Mario, der seit 15 Jahren im Ort lebt. Er hatte gehört, dass zwei Deutsche im Ort sind und machte sich zur Höhle auf. Und da er auch schon längere Zeit auf Reise war hatten wir sogleich genügend Gesprächsstoff. Mario lud uns ein, unseren Braunen bei ihm die nächsten Tage zu parken und uns die bergige Gegend zu zeigen. Als er erzählte, dass er Koch ist, war der Deal perfekt: Janus reparierte ein paar tropfende Wasserhähne und im Gegenzug dazu kochte Mario deutsche Leckereien. Neben Spaghetti, Nudelsalat und Omlette gab es für uns auch wohl die letzte Currywurst vor Kathmandu. Was wir sehr lustig fanden war, dass Mario den männlichen Einwohnern von Aksu beibrachte, dass Ramazotti nicht nur ein italienischer Sänger ist, dass Bier geerdet wird, wie man eine Bierflasche mit dem Feuerzeug öffnet, dass man auch aus Äpfeln Wein machen kann und dass man vor altdeutschen Schäferhunden, trotz ihrer flauschigen Ohren, Respekt haben sollte.
Nach vier Tagen hieß es von Mario, Goljad und Babsi Abschied nehmen.
Wir fuhren weiter in Richtung Kappadokien. Als wir einen Zwischenstopp in den Bergen einlegten und durch Wälder wanderten entdeckten wir zahlreiche Pilze (Rotkappen). Dem Regen sei Dank waren wir für einige Tage mit Pilzen versorgt. In Konya legten wir aufgrund unseres ersten Plattens auf der Reise eine Zwangspause ein.









In Kappadokien erwartete uns eine bizarre Landschaft aus so genannten Feenkaminen (spitz zulaufende Felsen aus Tuffstein) und in steile Steinwände gehauene Behausungen. Unsere erste Station machten wir im Ilhara-Tal. Dort wanderten wir einen Tag lang durch den Canyon. Zu den fast 1000 Jahre alten Behausungen ging es oft nur über Fußtritte im Fels. Viele alte Kirchen mit Wandgemälden verbargen sich in den Höhlen, leider fast immer mit ausgekratzten Augen und Gesichtern der Heiligen.
Auf dem Weg nach Göreme machten wir einen Zwischenstopp in Kaymakli, um dort eine der vielen unterirdischen Städte anzuschauen. Vor langer Zeit wurden diese von den Einheimischen zum Schutz gegen Feinde genutzt. Rückte der Feind an, verschwanden alle unter der Erde und konnten sich dort bis zu sechs Monaten aufhalten. Es gab neben Vorratskammern, Kirchen und Wohnzimmern sogar eine Weinkelterei, was uns sehr zusprach. Unser Nachtlager in Göreme schlugen wir an einer abseits gelegenen Kirche auf. Dort waren wir vor dem Touristentrubel sicher und hatten so keine Probleme einen Dusch- oder Toilettenplatz zu finden. Am Abend leisteten wir uns dann einen Kneipenabend, um unsere Jogi-Jungs gegen die Australier anzufeuern. Leider waren wir die einzigen Deutschen im Gegensatz zu einem Duzend Australiern. Aber sie gestanden ein, dass wir die besseren Fußballer haben.
Am nächsten morgen dachten wir am Meer zu sein, ständig wiederkehrendes Rauschen. Verdutzt schauten wir raus und stellten erfreut fest, dass ca. 30 Heißluftballons über und neben unserem Bus schwebten. Die Ballons flogen so nah an uns vorbei, so dass wir sehen konnten, dass die Touristen Bilder von uns machten. Wir taten dies natürlich umgekehrt.
Viele der Feenkamine in Göreme sind zu individuellen Hotelzimmern umgebaut. Eines Abends wollten wir es uns trotz schmalen Geldbeutels nicht nehmen lassen in einem dieser Feenkamine zu übernachten. Dazu fanden wir ganz in der Nähe unseres Parkplatzes einen Kamin mit einer Leiter. Wir bezogen in der Dunkelheit das einmalige Quartier, schliefen auf dem kühlen Steinboden und schlichen uns am nächsten Morgen wieder raus.
Wir genossen die Zeit in Göreme, bestaunten jeden Morgen die aufsteigenden Ballone und wanderten durch die Täler mit ihren surrealen Felsformationen.
In Ürgüp holten wir dann ein heiß ersehntes Paket aus Deutschland ab, das unser Home-Supporter David mit Ersatzteilen und Reisepässen bestückt hatte. Gegenüber einer Werkstatt reparierte Janus dann unsere Hinterradbremse und eilte schnell hinüber, wenn irgendein Werkzeug fehlte. Als alles wieder einigermaßen geflickt war ging es für uns weiter zum Berg Nemrut Dagi. Dort befindet sich ein 2000 Jahre altes Grab vom König Antichos mit imposanten Figuren. Die Köpfe dieser Figuren fielen bei einem Erbeben runter und wurden seitdem nicht mehr auf die Körper gesetzt. Um dort hinzugelangen empfahl uns unser Reiseführer eine schöne, aber lange asphaltierte Straße zum Berg. Nach einer Abbiegung sollte es dann noch kurz steil bergauf gehen und schon sei man auf dem Gipfel. Das klang gut und wir machten uns auf den Weg. Stunden später verfluchten wir den Autor dieser Zeilen, denn wir fanden Schotterpisten, verdammt enge Serpentinen und so steile Stücke, dass wir zeitweise nur im 1. Gang fahren konnten vor. Ständige Zwangspausen zum Runterkühlen des Motors und Entspannung unserer Nerven waren unerlässlich. Abends kamen wir kann endlich an, stolz wie Oskar, dass unser Brauner das geschafft hatte. Um 5 Uhr in der Frühe marschierten wir dann zum Sonnenaufgang zum Gipfel. Ein tolles Schauspiel. Wir blieben noch einen weiteren Tag und schauten zusammen mit den Kurden die Pleite der Deutschen gegen Serbien an.
Am nächsten Tag fuhren wir weiter zum Vulkan Nemrut Dagi (der heißt echt genauso wie der andere). Hier im Kurdengebiet kamen uns immer mehr Menschen mit Gewehren über der Schulter entgegen. Wenn wir fragten, ob es denn hier gefährlich sei, lachten sie nur. „Nein Nein, nix gefährlich.“
Als es dämmerte, wussten wir warum sie die Waffen dabei hatten. Ganz in der Nähe unseres Busses heulten Wölfe! Schnell in den Bus und alles verriegeln. Die Nacht verlief aber ohne Zwischenfall.
Nun ging es für uns immer mehr in Richtung iranische Grenze. Im Städtchen Baskale wollten wir die letzten Besorgungen machen. Wir parkten und waren noch nicht ausgestiegen, drückten schon die Ersten ihre Nasen an unserer Scheibe platt und reichten Hände durch das zehn Zentimeter offene Fenster. Gingen wir zum Berber, wollten alle sich rasieren lassen, gingen wir ins Gemüsegeschäft, wollten alle Gemüse kaufen, usw. Uns gefiel es super und wir schafften es nur mit Mühe ihre Einladungen zu ihnen nach Hause auszuschlagen und davon zu kommen.
An der Grenze in Esendere bereiteten wir uns dann auf den Iran vor. Dies sah wie folgt aus:
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Alkohol leer trinken (ist dort illegal)
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Toilettenpapierbestände auffüllen (die Iraner benutzen die linke Hand)
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Kurze Hosen wegpacken (ab sofort werden lange Kleider und Kopftuch getragen)
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Musik-CDs aus dem verhassten Amerika verstecken
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Letzte Coladosen verschenken
Unseren letzten Abend in der Türkei verbrachten wir beschwippst in einem Büro eines Grenzbeamten und schauten mit ihm das Deutschland-Ghana Spiel an. Zufrieden legten wir uns danach schlafen und erwarteten gespannt den nächsten Tag.
Kleine Türkei-Statstik:
Reisetage: 60 (davon 3 bezahlte Übernachtungsplätze)
Gefahrene Kilometer: 4464 km
Ausgaben: 13 € pro Person & Tag (exkl. Hochzeit)
Unfälle: nach Deutschlandspiel und Bierlaune rückwärts in einen Baum gefahren; Ergebnis: Fahrständer „Paulchen“ verbogen
Krankheiten: Mittelohrentzündung (Ursel), Ausschlag am Fuß (Janus)
Busprobleme: Hinterradbremse verschlissen, Radlager hinten defekt, Ölvorlaufleitung zum Turbolader undicht, Stange vom Hubdach durchgescheuert, Auspuff abgerissen
Highlights: Hochzeit in Istanbul, Landschaft in Selirma, Strände um Kabak, Atmosphäre am Nemrut









Iran 1 (Juni bis August)
Vor dem Grenzübergang in den Iran waren wir ziemlich angespannt. Hatten wir doch gehört, dass beim nördlichen Grenzübergang viele Touristen eine so genannte Diesel-Card erwerben mussten, die dazu berechtigt im Land Diesel zu tanken. Je weiter man durch das Land fährt, desto teurer wird es. Bei einer Durchquerung, wie in unserem Falle, hatten viele schon 1000 Euro hinlegen müssen. So entschieden wir uns für den südlichen Grenzübergang bei Sero und fuhren mit Muffensausen zu dem iranischen Grenzposten. Unsere Pässe wurden von grimmigen Grenzbeamten anstandslos abgestempelt, das Carnet de Passage ausgefüllt, Ursels Verhüllung kurz begutachtet und unser Auto 2 Sekunden inspiziert. Keine Rede von Diesel-Card oder Durchsuchung des Fahrzeugs! Wir konnten unser Glück kaum glauben und machten uns schnell aus dem Staub in Richtung Orumiyeh. Dort machten wir gleich mal Bekanntschaft mit dem iranischen Verkehr. Es sieht aus als gäbe es keine Regeln, jeder drängelt wo er nur kann, Lichthupe da, Gehupe dort, ab und zu knallts. Wo normalerweise 3 Spuren sind fahren 5 Fahrzeuge nebeneinander. Wir kamen zum Glück ohne Beulen voran.
In Orumiyeh wollten wir zum ersten Mal tanken. An einer Tankstelle fragte man uns nach der Diesel-Card. Da wir verneinen mussten nahm sich uns gleich ein hilfsbereiter Iraner an, fuhr mit uns 500m weiter zu einer LKW-Werkstatt, pumpte uns gleich mal 70 Liter ab und kippte es in unseren Braunen bzw. in die Ersatzkanister. Geld wollte er dafür natürlich nicht, wäre auch lächerlich gewesen, denn Diesel ist im Iran billiger wie Wasser. Sage und schreibe 1,3 Cent kostet 1 Liter Diesel.
Da wir am Wochenende ankamen und die Geschäfte zu hatten, ging es gleich weiter zum nahe gelegenen Salzsee. Wie beim Toten Meer ist untergehen unmöglich. Da wir zuvor noch nie so etwas gesehen hatten ging es gleich mal baden. Für Ursel, wie für die Iranerinnen in voller Montur: Langarm, lange Hose und Kopftuch.
Am Wochenende sahen wir dann auch gleich die Lieblingsbeschäftigung der Iraner: picknicken. Dazu bringen sie den halben Hausstand und die gesamte Familie mit, stellen ein Zelt auf, breiten die Picknickdecke aus und fangen an zu kochen und zu plaudern. An einem Fluss, wo wir unser Nachtlager aufschlugen wurden wir sogleich von Picknickdecke zu Picknickdecke weitergereicht. Jeder wollte mal die Deutschen bei sich sitzen haben und zu irgendetwas einladen. Wir genossen die iranische Gastfreundschaft und fühlten uns gleich wohl in diesem Land.
Weiter ging die Fahrt über die 1500 Jahre alten Ruinen von Takht-e Soleiman, wo wir immer wieder von den Iranern fotografiert und bestaunt wurden. Also schnell weiter in Richtung Tehran. Auf der Fahrt dorthin wollten wir noch einmal auf einem Acker übernachten und bei Tagesanbruch weiterfahren. Nach 10 Minuten stand bereits die Polizei da und wollte uns verjagen, minutenlanges diskutieren war zwecklos. Als wir dann aber sagten, dass wir aus Deutschland kommen, waren die Polizisten plötzlich superfreundlich und übernachten war dann doch kein Problem mehr. Es stimmte also wirklich, die Iraner sind Deutschlandfans und wir wissen es nicht mal.
Am nächsten Tag erreichten wir Tehran, mit 14 Millionen Einwohnern war das Verkehrschaos schon vorprogrammiert. Janus kurbelte wie ein Weltmeister, Ursel benutzte tatkräftig ihre eingebaute Beifahrerhupe und schon erreichten wir einen Park zum nächtigen. Da am Abend die Deutschen gegen England spielten stand als Tagesaufgabe die Suche nach einem Fernseher fest. In einem Hotel wurden wir fündig. So saßen wir neben Persern auf Persern und sprangen bei jedem Tor bis zur Decke, während die Iraner immer ganz cool blieben.
Da die Bremsen unseres Braunen immer noch nicht einwandfrei liefen und wir weitere Ersatzteile benötigten gingen wir in eine VW-Werkstatt. Der Besitzer Reza hatte noch Ersatzteile von vor 25 Jahren und wir ließen sie die nächsten drei Tage bei ihm verbauen. Außerdem konnten nun endlich auch unser Hochzeitsgeschenk, die Federn, eingebaut werden. Nach einer Nacht in der Werkstatt lud uns Reza ein, bei sich zu Hause zu übernachten. Als wir dort ankamen staunten wir nicht schlecht: eine Villa mit Angestellten und Pool! So konnte Ursel doch noch ihren Geburtstag ohne Kopftuch feiern.
Als unsere Bussi wieder fit war ging es weiter zum höchsten Berg im Mittleren Osten: den 5670 m hohen Mount Damavand. Da dort 50 US $ Gipfelgebühr für Ausländer verlangt wurden, begnügten wir uns mit Wanderungen um den Berg. An einem Tag lernten wir Umid, einen Iran-Schweizer kennen, der gerade auf dem Weg mit einer Gruppe zum Camp 3 auf 4200m war. Wir schlossen uns ihm an und fragten zuvor noch im Basecamp, ob wir dafür eine Gebühr zahlen mussten. Nein, nein, wenn man dort oben nicht übernachtet kostet es nichts. Wir liefen also los und nach 6 Stunden erreichten wir die Hütte auf 4200m. Dort stand schon ein Mann vom iranischen Bergclub und sprach irgendetwas von Gebühr. Als wir wieder runterkamen wollte ein ganz anderer Mann plötzlich die 100 $ von uns. Wie bitte? Wir weigerten uns, wollten das Ganze von der Polizei klären lassen und kamen dann doch mit Hilfe unserer neuen Wanderfreunde, die uns halfen zu übersetzen, ohne Rechnung davon.
Zurück in Tehran übernachteten wir noch einmal bei Reza und konnten es kaum glauben, dass wir wirklich 4:0 gegen die Argentinier gewannen. Zur Feier des Tages ließ Reza eine Flasche Rotwein vom Schwarzmarkt bringen. Das eher nach Portwein schmeckende Gebräu war natürlich nicht mit unserem Pfälzer Wein zu vergleichen.
Unsere Fahrt ging weiter nach Kashan. Dort hatten wir zum ersten Mal die 40 Grad Marke erreicht und konnten mittags nur noch im Schatten vor uns hinvegetieren. Aber es sollte noch schlimmer werden. In Esfahan hatten wir dann 45 Grad und die Sightseeingtour war mühselig und nur in einem Schneckentempo zu bewältigen. Die Stadt gefiel uns im Iran bisher am Besten. Hatte sie doch einen tollen Basar, viele mosaikbestückte Moscheen mit kühlen Kellerräumen, alte Brücken und schöne Paläste. Bei manchen Moscheen musste Ursel dann über ihre schon schwer zu ertragende Verhüllung dann auch noch einen Chador (knöchellanger Umhang) tragen.
Da wir an einem Park nächtigen, breiteten wir sobald es Abend war immer unsere Picknickdecke aus. Es verging kein Abend in Esfahan, an dem wir allein auf unserer Decke saßen. Immer wieder wollten sich Iraner mit uns unterhalten. Vor allem mit Majid, der deutsch sprach, verstanden wir uns super. Zusammen schauten wir in einem 5-Sterne-Hotel das tolle, aber trotzdem traurig endende Spiel gegen die Spanier an. Er erzählte uns auch vom neusten Verbot im Iran: gemusterter Nagellack und Stiefel, die über die Hose gehen.
Die nächsten Tage verbrachten wir in der Wüste. Dort hatten wir dann über 50 Grad und nachts kühlte es kaum ab. Wir tranken literweise Wasser und auch Bier. Dadurch, dass es alkoholfrei ist schaut niemand komisch, wenn man bereits zum Frühstück schon einen Radler abext. Neben endlosen Weiten und einem atemberaubenden Sternenhimmel gab es ab und zu ein verendetes Kamel und schöne Wüstendörfer zu besichtigen.









In der Wüstenstadt Yazd parkten wir wie viele andere Overlander vor dem Orient Hotel und bezahlten nur eine kleine Duschgebühr. Bei Anbruch der Nacht war es immer noch so heiß, dass ein Hotelangestellter Mitleid mit uns hatte (wie kann man bei 40 Grad in einem Auto schlafen), dass er uns eines seiner einfacheren Zimmer kostenlos zur Verfügung stellte. Wir nahmen dankend an und konnten uns so bei den Mittagstemperaturen über 50 Grad im einigermaßen kühlen Zimmer verstecken. An einem Tag bekamen die Angestellten der Stadt sogar „Hitzefrei“, da es zu heiß zum arbeiten war. Am Abend krochen wir wieder aus unserem Zimmer und stellten entsetzt fest, dass Janus´ Schuhe in der Sonne von Größe 43 auf Größe 39 geschrumpft waren und aussahen wie kleine Bötchen.
Nach drei Tagen flohen wir vor dieser Hitze und fuhren zum 10 Grad kühleren antiken Persepolis – die ehemalige Hauptstadt Persiens. Dort bestaunten wir die gut erhalten Reste der Stadt mit ihrem Stadttor und Tempeln.
Weiter ging es dann nach Shiraz. Dort machten wir uns gleich auf die Suche nach einem Gleichlaufgelenk für unseren Braunen. In Esfahan und Yazd war unsere Suche bereits erfolglos. So suchten wir mit Hilfe eines DJ´s, den wir auf der Straße angesprochen hatten vier Stunden - wieder erfolglos. Als wir gerade zurück ins Zentrum fahren wollten und nach dem Weg fragten, stießen wir auf Mohammad, der nicht nur deutsch sprach, sondern auch Autobauingenieur war. Er nahm sich uns gleich an, telefonierte 2 Minuten und sagte, dass das Teil heute Abend bei ihm sei, solange sollten wir noch mit ihm nach Hause kommen und uns ausruhen. In seinem klimatisierten Haus wurden wir von der gesamten Familie herzlich empfangen und nach einem tollen Essen baten sie uns doch über Nacht zu bleiben. Am Abend kam wie versprochen das Ersatzteil und wurde von einer Werkstatt in den folgenden zwei Tagen eingebaut. Also blieben wir noch länger Gast bei Mohammads Familie. Als wir mit unserem wieder reparierten Bus durch die Stadt fuhren versuchte ein Polizist mit Winken und Pfeifen uns anzuhalten. Da wir uns erst nach 300 Meter angesprochen fühlten, hielten wir an. Der Polizist rannte schon wie wild auf uns zu und nahm Janus mit zum Verhör. Am Streifenwagen ergab sich folgende Unterhaltung:
Oberhauptmann: Where you from?
Janus: Alman.
Oberhauptmann: Machine (Auto) alman?
Janus: Yes, Yes, bale, bale, alman.
Oberhauptmann: Irani Number (Nummernschild)?
Janus: Irani Number 1!
Oberhauptmann: bricht in Lachen aus
Daraufhin kam Mohammads Frau Asal zur Hilfe. Sie sprachen kurz auf persisch, beide telefonierten mit irgendjemandem und schon durften wir weiter fahren. Später erfuhren wir, dass wir eigentlich ein iranisches Kennzeichen mit Versicherung bräuchten.
Am nächsten Tag unternahmen wir dann zusammen einen Ausflug in das 170 km entfernte kühlere Yasuj. Dort wurden wir dann zu richtigen Iranern und picknickten. Später verbrachten wir noch einen lustigen Abend bei einem Freund und dessen Familie. Zusammen spielten wir Karten und aßen zu Abend. Natürlich auf dem Boden, denn das Haus war traditionell und hatte keine Möbel, sondern nur Teppiche.
Nach fünf erholsamen Tagen bei Mohammad fuhren wir weiter in Richtung Persischem Golf. Viele Iraner denen wir von unserer geplanten Route erzählten rieten uns ab: „Was, zum Golf wollt ihr? Da ist es jetzt viel zu heiß.“ Wir ließen uns nicht abbringen, was konnte schon schlimmer sein als 50 Grad in Yazd? Unser Ziel hieß Qeshm Island. Bereits am Fährhafen schwitzten wir aus allen Poren, es gab kein trockenes Stückchen Stoff mehr – und das um 22 Uhr. Wir bekamen nach einigem Hin und Her eine Fahrkarte auf die zollfreie Insel und sollten uns beeilen schnell noch auf die Fähre zu kommen. Kurz vor der Auffahrt fuhr ein Motorrad direkt vor unseren Bus, sodass wir nicht auf die Fähre fahren konnten. Der Fahrer sprang von seinem Gefährt schrie wie wild etwas auf persisch, schlug auf unseren Bus und zeigte auf uns. Wir hatten den Mann noch nie vorher gesehen. Blitzschnell rannten Männer vom Boot und vom Steg auf den Mann zu. Eine kurze Schlägerei entfachte, großer Tumult um unseren Braunen. Wir kurbelten die Scheiben hoch und machten die Knöpfe runter, sahen wie die Fähre ohne uns losfuhr und warteten erst einmal ab. Es stellte sich heraus, dass jemand uns eine Schranke passieren ließ, obwohl wir 4 € hätten dort bezahlen müssen. Als wieder Ruhe eingekehrt war, schleckten wir erst einmal ein Eis zur Beruhigung (das uns ein netter Iraner spendierte) und nahmen das nächste Boot.
Auf der Insel machten wir in der Nacht kein Auge zu, da es nicht nur heiß, sondern auch eine Luftfeuchtigkeit von 90 % hatte. In der Wüste benutzen wir noch ein Pumpspray mit Wasser um uns abzukühlen, hier waren wir jedoch machtlos.
An einem Strand versuchten wir uns im Meer zu erfrischen. Zwecklos, das Wasser hatte gefühlte 35 Grad. Also legten wir uns hin und halluzinierten: was sind das für Stimmen? Was macht die Haiflosse an unserem Fenster? Was macht die rote Farbe überall? Es gab nur einen Ausweg: Fahrtwind. Also fuhren wir bis alle Tanks und Ersatzkanister leer waren und sahen dabei dunkelhäutige Fischermänner, Bootsbauer, Frauen mit ledernen Gesichtsmasken, brennende Gastürme, Kamelherden und bizzare Felslandschaften. Noch am gleichen Abend verließen wir mit dem Restsprit die Insel und schliefen auch am Festland nicht. Also fuhren wir zurück ins trockenere Kerman. Auf dem Weg dorthin machten wir Bekanntschaft mit einer Windhose, die unseren Bus direkt erfasste. So wurden wir wenige Sekunden wie wild hin und her geschüttelt, unser Herz raste ohne Ende und schon war das Ganze vorbei. Puh, noch mal Glück gehabt, dass nichts Schlimmeres passiert ist.
In Kerman lernten wir in einem Geschäft wieder einmal einen Mohammad kennen, der uns beim dolmetschen behilflich war. Er lud uns ein am folgenden Tag mit seiner Familie zu Mittag zu essen. So saßen wir mal wieder auf einem Perser, vor uns leckere Speisen ausgebreitet und neugierige Schwestern die uns Löcher in den Bauch fragten. So wollten sie wissen, warum die jungen Leute in Deutschland so früh von zu Hause ausziehen, ob Ursels Haare von Natur aus blond sind (sie hatte die Erlaubnis als einzige Frau im Haus das Kopftuch abzuziehen) und ob wir denken, dass Iraner Terroristen sind (die Frage bekommen wir mind. 5 x am Tag gestellt).
Zusammen mit Mohammad und seinem Freund Mossin fuhren wir in die nahe gelegene Kaluts Wüste. Dort machten wir es uns auf Holzbetten gemütlich, aßen ein leckeres Abendessen, das Mohammads Mutter uns mitgab und schliefen unter dem freien Sternenhimmel. Um 4 Uhr in der Früh fuhren wir dann zu einem Aussichtshügel und bestaunten den Sonnenaufgang in dieser einzigartigen Landschaft. Hier hatte es sich mal wieder gelohnt ein eigenes Fahrzeug zu haben und nicht auf halsabschneiderische Guides angewiesen zu sein.
In Kerman ging unser Plan auf andere Overlander zu warten, um mit ihnen in einem Konvoi durch das gefährliche Belutschistan zu fahren, leider nicht auf. So machten wir uns allein auf den Weg nach Bam, die Stadt die 2003 durch ein Erdbeben fast vollkommen zerstört wurde. Kurz nach der Stadt fing uns die Polizei ab, um uns ab sofort bis zur Grenze zu eskortieren. Schnell waren wir genervt von der unorganisierten Eskorte. Manchmal begleiteten uns mehrere schwer bewaffnete Soldaten in einem Jeep, ein anderes Mal saß ein 16 jähriger Rekrut ohne Waffe bei uns im Bus und bettelte uns an. Eine letzte Nacht im Grenzort, dann noch mal zwei Stunden Eskorte für die letzten 10 Kilometer zur Grenze, die wir selbst organisieren mussten, da die iranischen Soldaten einfach zu verpeilt waren. So waren wir froh heil an der Grenze zu sein und mit den durchgeschmuggelten 60 Liter Diesel konnte das Abenteuer Pakistan beginnen…
Kleine Iran-Statstik:
Reisetage: 38 (davon 10 bezahlte Übernachtungsplätze)
Gefahrene Kilometer: 5684 km
Ausgaben: 11 € pro Person & Tag (Ausgaben für 580 Liter Diesel sagenhafte 4,20 €)
Unfälle: mehrmals ist uns ein Iraner hinten drauf gefahren; Ergebnis: dank Stahlstoßstange und Anhängerkupplung keine Dellen
Krankheiten: Magenverstimmung mit Fieber (Ursel)
Busprobleme: vordere Federn verschlissen – ausgetauscht (Hochzeitsgeschenk), Spurstangenköpfe vorne ausgeschlagen – ausgetauscht, Bremsbeläge verschlissen – ausgetauscht, Ankerbleche hinten durchgerostet – ausgetauscht, Radbremszylinder undicht – ausgetauscht, Bremsbeläge hinten verschlissen – erneuert, Hauptbremszylinder defekt – erneuert, Gleichlaufgelenk hinten rechts defekt – erneuert, Antriebswellenmanschetten porös – alle ausgetauscht, Dieselrücklaufleitung am Motor abgerissen – provisorisch geflickt, Kupplungsstangenmanschette nicht vorhanden – wieder angebracht, Verschluss des Ausgleichsbehälter defekt – ausgetauscht, Seilzug des Hubdachs gerissen – wird beobachtet, abgerissene Tachowelle – noch kein Ersatzteil gefunden, Ölverlust am Motor – wird beobachtet
Highlights: zauberhaftes Esfahan, Totes-Meer-Feeling am Salzsee bei Orumiyeh, Gastfreundschaft der Iraner, arabisches Qeshm-Island









Pakistan 1 (August bis Oktober)
Quietschende Eselskarren, ein Gewusel an Menschen, ein süßlicher Duft, Linksverkehr, Müllberge, verlockende Essensstände, bärtige Gesichter, kitschig geschmückte Lastwagen – wir sind in Pakistan. Kaum zu glauben wie sich die Welt innerhalb von 100 Metern Grenzübertritt ändern kann. Schnell werden unsere Pässe und das Carnet abgestempelt. Eine Kontrolle des Autos findet wieder nicht statt – wir Glückspilze. Da im Grenzgebiet zu Afghanistan immer wieder Ausländer von der Taliban entführt werden, um sie als Druckmittel gegen westliche Länder einzusetzen sind wir froh schnell voranzukommen, diesmal mit einer gut organisierten Eskorte. Unsere erste Nacht in Pakistan verbringen wir im Gefängnis von Dalbandin. Man sagte uns, dass es der sicherste Ort weit und breit sei. Im Gefängnis selbst konnten wir gar nicht sagen, wer jetzt Gefangener war und wer nicht, denn alle Zellen standen offen und alle liefen frei herum…
Am nächsten Tag ging es früh weiter in Richtung Quetta. Die Strecke, wohl die Schlechteste auf der Fahrt nach Nepal, entpuppte sich als Holperpiste mit Schlaglöchern und Speed-Brakern. So war es kein Wunder, dass mal wieder ein Teil an unserem Braunen abbrach. Ein Stabilisator der Lenkung wurde unterwegs provisorisch geflickt und weiter ging die Fahrt. Nach 9 Stunden für die 320 km lange Strecke kamen wir endlich in Quetta an. Dort trafen wir seit der Türkei endlich mal wieder auf andere Reisende und Overlander. Und zu unsrer Überraschung waren wir die jüngsten Überlandreisenden.
Am nächsten Tag machten wir uns auf die Suche nach einem neuen Stabilisator. Nach vier Stunden vergebliche Suche wollten wir gerade mit einem Rikschafahrer um den Rückfahrtspreis verhandeln, als uns zwei Pakistanis ihre Hilfe anboten. Saif und Farooq warfen kurzerhand ihre Freunde aus dem geliehenen Auto, um für uns auf der Rückbank Platz zu schaffen. Sie konnten uns zwar keinen neuen Stabilisator besorgen, allerdings ließen sie das zerbrochene Teil so gut wieder zusammenflicken, dass es besser als das Original war. Pakistaner sind Weltmeister im Improvisieren. Bei ihnen zu Hause wurden wir dann in die typischen pakistanischen Kleider gesteckt, so fielen wir auf den Straßen nicht mehr ganz so auf. Ursel durfte dann auch noch den Frauenteil des Hauses betreten, der für Janus tabu war.
Saif und Farooq waren uns überaus sympathisch, so dass wir die nächsten Tage zusammen verbrachten. Da wir die Beiden nicht mit auf das Hotelgelände nehmen durften und nach 18 Uhr Ausgangssperre für Ausländer herrschte, luden sie uns zu ihrem Häuptling ein. So saßen wir umringt von Stammesführern der Khetran mitten in Quetta, schlürften Tee während uns neugierige Blicke begutachteten. Als der Häuptling hörte, dass zwei Ausländer bei ihm im Garten sitzen, kam er natürlich sofort aus dem Haus. Voller Erfurcht standen alle in einem Halbkreis während er uns ausfragte und dann zum Abendessen einlud. Die Ausgangssperre regelte er persönlich mit der Polizei und schon saßen wir wenige Stunden später zusammen mit Saif im Gästehaus und bekamen Bier und Whiskey serviert. Das Abendessen wurde dann zur gewöhnlichen Uhrzeit um 0:30 Uhr im Nebenzimmer auf dem Boden aufgereiht. Dort warteten bereits die Stammesführer und der Diener, dann begann das große Fressen. Keiner sagte ein Wort, alle schlangen wie wilde Tiere Essen in sich hinein. Der Häuptling neben dem wir saßen gab uns ab und zu einen Fausthieb auf die Schulter und fragte „Enjoy Food?“. Es wurde geschmatzt und gerülpst ohne mit der Wimper zu zucken. Zum Nachtisch gab es dann Mango, allerdings nicht geschnitten sondern am Stück. Wir sollten sie mit der Schale weich kneten und dann von oben aussaugen. Was zunächst ungewohnt war, fanden wir danach super.
Da wir gerne mit Saif, Farooq, ein paar ihrer Freunde und dem Rucksackreisenden Robert aus Deutschland in die Berge fahren wollten, besorgte der Häuptling dann auch noch eine Sondergenehmigung für uns. Da Saif die Verantwortung für uns übernahm konnten wir ohne Eskorte der Polizei losziehen. So trug er bis wir in Ziarat ankamen eine Waffe unter seinem Hemd. Trotz Regen hatten wir die zwei Tage im Zelt mit ihnen einen Heidenspaß, vor allem auch, weil sie einige Falschen Gin mit brachten.
Nachdem wir zurück in Quetta waren machten wir uns nach einer letzten Nacht beim Häuptling auf Richtung Islamabad. Da das halbe Land unter Wasser stand war ein Vorankommen nicht ganz so einfach. Auf dem Weg nach Süden sahen wir immer mehr überschwemmte Felder. Da das Vieh nicht mehr auf dem Feld bleiben konnte, führten viele Bauern ihre Kühe, Büffel, Schafe und Ziegen auf den Highway. So wurde aus vier Spuren oft nur Eine, da es überall von Menschen und Tieren wimmelte. Am Straßenrand saßen Menschen mit ihrem letzten trockenen Hab und Gut und warteten darauf zu ihren Hütten zurückzukehren. Ab und zu waren Zelte der UN aufgeschlagen und Polizeiautos verteilten Lebensmittel von der Ladepritsche. In Jacobabad mussten wir dann eine Nacht Zwangspause einlegen, da die Straßen noch überflutet waren. Kaum hielten wir in der Stadt an bildete sich eine Menschentraube um unseren Bus. Unsere Eskorte schrie kurz und schon wichen alle zurück. Die Polizisten traten nicht mehr von unserer Seite. So begleiteten sie uns ins Restaurant und saßen die ganze Nacht vor unserem Hotelzimmer. Am nächsten Tag ging es dann zum Glück weiter. Während wir unterwegs nach Islamabad waren begann auch der Ramadan, der Fastenmonat der Muslime. Dies bedeutete für uns, dass wir tagsüber, aus Respekt den Fastenden gegenüber, in der Öffentlichkeit nichts aßen und tranken. Um 19 Uhr steht dann in ganz Pakistan das Leben still. Geschäfte werden für 30 Minuten geschlossen und alle stürzen sich auf das Abendessen, egal wo sie sind.
Nach fünf Tagen im Auto kamen wir endlich in Islamabad an. Auf dem Campingplatz, der nur für Ausländer ist, trafen wir wieder auf den spanischen Motorradreisenden Juan, die Deutschen Anke, Niels, Maya und Florian, die nach Indien umziehen und die beiden Engländer Barbara und Norman, die um die Welt fahren. Die nächsten Tage verbrachten wir fast ausschließlich auf dem Gelände. Hatte das pakistanische Straßenleben ohne Essen den Reiz für uns verloren. Nur am Abend gingen wir Reisenden zusammen raus, um vor den Moskitos auf dem Campingplatz zu flüchten und etwas zu essen.









Durch die Flut in Nordpakistan wurden unsere Reisepläne ganz schön durcheinander gebracht. Wollten wir doch unbedingt auf den Karakoram Highway (KKH) hoch ins pakistanische Himalaya fahren. So drehte sich auf dem Campingplatz in Islamabad alles um die eine Frage: möglich oder nicht möglich.
Die beiden Engländer Barbara & Norman versuchten es mit ihrem 100.000-Euro-Land-Rover als Erstes. Nach drei Tagen kamen sie entmutigt wieder zurück, eine Brücke sei zerstört & man könne nicht hochfahren. Es gäbe nur eine Möglichkeit: über das Kaghan Valley & den 4200 m hohen Babusar-Pass. Das war den Engländern dann doch zu abenteuerlich, kein Wunder, waren sie beide bereits 69 Jahre alt und wollten noch in diesem Leben um die Welt fahren.
Zwischendurch ließen wir in der einzigen VW-Werkstatt Rawalpindis den Simarring und den Zahnriemen für wenig Geld tauschen & siehe da, endlich nach zwei Jahren Ölverlust war das Problem beseitigt. Bei der Fahrt vor die VW-Werkstatt machte es plötzlich einen lauten Schlag. Zwei Betonplatten, die über die Abwasserkanalisation gelegt worden waren, brachen unter der Last des Braunen zusammen. Entsetzt sprangen wir aus dem Bus, während die Pakistaner nur müde lächelten und „No Problem“ sagten. Innerhalb von fünf Minuten war der Bus wieder aus dem Loch gehievt und hatte glücklicherweise nur einige Kratzer am Unterboden davon getragen. Der Besitzer Moqeem berichtet uns ebenfalls von der Möglichkeit über das Kaghan Valley in den Norden zu kommen. Mit unserem VW-Bus könnten wir aber auf keinen Fall über den Pass kommen. Da bräuchten wir schon einen T 3 Syncro (4-Rad-Antrieb)…
Zurück auf dem Campingplatz beratschlagten wir uns mit dem Spanier Juan, der mittlerweile, da sein Zelt bei den tropischen Regenfällen undicht war, bei uns mit im Bus hauste. Beide wollten wir zunächst bis Naran (70 km vor dem Pass) fahren und dort die Einheimischen nach den momentanen Straßenverhältnissen befragen. So ging es nach elf langen Tagen endlich weiter. Die Fahrt nach Naran war schon ein Abenteuer für sich: weggespülte Straßen, Schlammpisten, Erdrutsche, Flussdurchquerungen und tiefe Schluchten.
Angekommen im Bergdorf blieben wir erst einmal drei Tage. An einem sonnigen Tag mit blauen Himmel, unternahmen wir eine Wanderung zum See Saiful Muluk auf 3400 m. Hatten wir doch in der Euphorie über das schöne Wetter vergessen Sonnencreme aufzutragen. Prompt kam die Rechnung: wir waren krebsrot, Wasserbläschen bildeten sich auf Armen und im Gesicht, noch Wochen später sahen wir die Folgen. Währenddessen versuchte Juan sein Glück und startete mit seinem cross-bereiften Motorrad zum Pass und Richtung Gilgit. Am Abend erfuhren wir am Telefon von ihm, dass er es geschafft hatte. Bis auf zwei heikle Stellen (jeweils 200 m lange tiefe Schlammpisten) sei der Weg schwierig, aber machbar. Am nächsten Tag wollten wir es wagen. Nach wenigen Kilometern endete die teils asphaltierte Straße und ging über in eine Schotterpiste mit Schlaglöchern und Spurrillen. Und da kam sie: die erste schwierige Stelle. Nach kurzer Beratschlagung stand der Plan fest und los ging's im Vollgas durch den bis zu 40 cm tiefen Schlamm. Von Fahren konnte nicht mehr die Rede sein, rutschen wir doch nur so hin und her. Bloß nicht stehen bleiben, sonst wären wir verloren. Es ging gut und bald waren wir an der zweiten Stelle. Im Schlamm steckten bereits ein Minibus und ein allradbetriebener Jeep fest. Nun war guter Rat teuer. Wir überlegten eine Weile bis ganz unverhofft ein Einheimischer kam und uns über eine Wiese umleitete. So ließen wir den Jeep, der uns zuvor noch so großprotzig überholt hatte, stehen und fuhren hoch zum Pass… besser gesagt schlichen, den im 1. Gang lässt es sich bekanntlich nicht so schnell fahren. Überglücklich erreichten wir den Pass. Pakistaner, die dort auf eine Mitreisegelegenheit warteten sahen uns, streckten beide Daumen hoch und sagten: „Oh german car, very good, strong 4 wheel engine“. Wir mussten aussteigen, einige technische Eckdaten vortragen und dann die Pakistaner kopfschüttelnd stehen lassen. Jetzt hieß es nur noch nach unten fahren. Nach drei weiteren Stunden, oft mit zusammen gekniffenen Arschbacken, da die Straßen einspurig waren und es ohne Leitplanken hunderte von Metern steil nach unten abfiel, erreichten wir den KKH bei Chilas. Nach einer ruhigen Nacht am wilden Indus ging es am nächsten Morgen weiter Richtung Nanga Parbat. Am Rama-Lake bei Astor erhofften wir uns eine gute Sicht. Auf dem Weg dorthin geschah es dann: wir fuhren uns in einem Schlammloch fest. Aber Pakistan wäre nicht Pakistan, wenn da nicht gleich zahlreiche Helfer aus dem Gebüsch springen würden. In Pakistan ist man eben nie allein. Buddeln, schieben, beschweren, ruckeln… der Braune war wieder frei. So machten wir es uns auf einer zunächst menschenleeren Wiese gemütlich. In den nächsten beiden Tagen kamen immer wieder Schaulustige, die sich zwei Meter vor unseren setzten, nichts sagten (da es einfache Hirten waren, konnten sie kein englisch), uns mit offenen Mund stundenlang anstarrten und erst wieder gingen als es Abend wurde. Leider sahen wir keinen Nanga Parbat vom Rama-Lake, dazu mussten wir dann schon zum Örtchen Tarashing weiter ruckeln. Und da war er. Majestätisch lag er vor uns. Wunderschön. Wir konnten uns kaum satt sehen. Deswegen starteten wir am nächsten Tag auf den Rupal-Trek. Seit zwei Touristen in der Gegend umgebracht wurden, war es verboten ohne Guide loszuziehen. So gingen wir mit Safuillah, der gebrochen englisch sprach, bei schönstem Wetter los. Am Nachmittag erreichten wir das Nanga Parbat Base Camp, das zu Füßen der 4500 m herabfallenden Rupal-Wand lag. Im Camp trafen wir lustigerweise auf zwei Forscher der Uni Heidelberg, die hier geologische Untersuchungen durchführten. Die ganze Nacht über hörten wir immer wieder Lawinen, die uns beunruhigt aus dem Schlaf rissen.
Am nächsten Tag ging es dann über einen breiten Gletscher, der bedenklich dahin schmolz, nach Latobah, das Dörfchen unseres Guides. Wir wurden herzlich empfangen, konnten uns in aller Ruhe umsehen und bekamen trotz Ramadans ein zweites Frühstück serviert. Nachmittags schlugen wir unser Zelt bei den Hirten von Chillen-Das auf. Kurz darauf zog ein Sturm auf, den unser Zelt und wir gut überstanden. Am Tag 3 ging es in einem 7-Stunden-Gewaltmarsch zurück nach Tarashing. Auf dem Weg zurück kamen wir an einem kleinen, unscheinbaren Haus vorbei. Safiullah erklärte, dass es Reinhold Messner gehöre und er jedes Jahr mit einer Gruppe hier her komme, um die gleiche Strecke, wie wir sie gelaufen sind, zu trekken. In Tarashing blieben wir noch eine Nacht bevor es weiter Richtung Deosai Plateau ging.
Im Örtchen Chillum mussten wir an einem Schlagbaum halten. Danach begann der Deosai National Park, für den je 4 $ zu berappen waren. Kein Mensch oder Reiseführer hatte davon berichtet. Da wir nur noch 12 € in pakistanischer Währung in der Tasche hatten, logen wir vor kein Geld mehr zu haben: also öffnete sich auch erstmal nicht die Schranke. Nach großer Diskussion legten wir einen Streik ein und kochten erst mal was. Nach dem Essen kamen einige Einheimische an die Bustür und sagten, dass wir uns die 8 $ sparen könnten. Auf dem Weg sei ein 80 cm tiefer Fluss zu durchqueren, mit unserem Fahrzeug unmöglich. Jetzt kamen auch die Herren des Nationalparks wieder, wir dürften als besondere Gäste des Landes, ohne zu zahlen passieren. Nun wollten wir aber nicht mehr, unsere Entscheidung war gefallen: wir kehrten um, zurück zum KKH, um nach Gilgit zu fahren. Dort wollten wir erst mal wieder an Geld kommen. Daraus wurde allerdings so schnell nichts. Denn ein Erdrutsch auf dem KKH, brachte den Verkehr für ungewisse Zeit zum Erliegen. Zum Glück hatten wir noch einige deutsche Konservendosen dabei, die nun Gold wert waren, denn im Örtchen Talechi wurden alle Waren der Geschäfte von den wartenden LKW-Fahrern aufgekauft. Nach drei Tagen Warterei war alles leer gefuttert und wir entschieden uns mit mageren 500 Rupie (1 € = 108 Rupie) die 70 km zurück nach Chilas zu fahren, um dort an Geld und Vorräte zu kommen. Drei Stunden später erreichten wir Chilas, dort nahmen wir für 300 Rupie ein einfaches Zimmer und da die Bank bereits zu hatte, mussten wir auf den nächsten Tag hoffen. Doch die Bank wollte nicht wechseln. Erst als wir unsere finanzielle Situation offenbarten, kam ein Bankkunde, legte einen Batzen Scheine auf den Tisch, informierte sich über den aktuellen Wechselkurs und sagte: „No Problem, I make money change.“ So wechselten wir 150 Euro und die Welt war wieder in Ordnung.









Während wir in Chilas auf die Wiederöffnung des KKH warteten endete auch endlich der Ramazan und die Muslime feierten Eid. Auch wir waren heilfroh, dass unser Experiment „Ramazan in einem muslimischen Land“ beendet war und kamen zu dem Ergebnis, dass dies keiner Wiederholung bedarf. Als wir hörten, dass die Arbeiten nach dem Erdrutsch fast abgeschlossen waren und die Straße in den nächsten 24 Stunden öffnen würde, ging es für uns noch einmal auf den Basar, um dort Lebensmittel zu kaufen. Danach wollten wir sofort in Richtung Norden aufbrechen. Wir fuhren also mit unserem Bus in die Basarstraße, Janus wartete im Auto während Ursel zu den einzelnen Ständen ging und einkaufte. Plötzlich versammelten sich eine Bande von Jungs in der Nähe des Braunen und feuerten einige größere Steine in unsere Richtung. Sie verfehlten nur knapp den Bus. Einige Männer beobachteten dies, entschuldigten sich bei Janus und nahmen sich die Bürschen vor, die eine Tracht Prügel einsteckten mussten. Zur gleichen Zeit eilten sogleich vier Polizisten zu Ursel an den Gemüsestand und hielt die neugierige Menge, die immer näher rückte, mit Schlagstöcken in Schacht. Was war denn hier los? Wir suchten schnell das Weite und kamen nach zwei Stunden zur Stelle des Erdrutsches. Da Ausländer in Pakistan wie VIPs behandelt werden, wurden wir natürlich an den ca. 200 wartenden LKWs vorbei gewunken. Und wer kam uns da entgegen: Juan, der motorradreisende Spanier. Die Wiedersehensfreude war groß und wir vereinbarten uns in einigen Wochen in Nepal wieder zu treffen.
In der Provinzhauptstadt Gilgit versorgten wir uns noch einmal mit Dosenfutter, einem Second-Hand Daunenschlafsack und Geld, bevor es weiter in den tieferen Norden ging. Allgemein ist bekannt, dass im muslimischen Pakistan Frauen das Kopftuch tragen und Ramazan gehalten wird. In ganz Pakistan? Nein, ein kleines Gebiet im Norden namens Hunza war anders: hier konnten die Frauen selbst entscheiden, ob sie sich das Haupt bedecken und Ramazan ist hier ein Fremdwort. Diese freundlichen Artgenossen sind ebenfalls Moslems, eine Unterart der Schiiten, genannt Ismailis. Und genau da wollten wir hin. Am Ende des Tages erreichten wir Duikar, ein kleines Nest auf 2800m mit grandioser Aussicht über das Tal. Wir genossen zwei Tage Abgeschiedenheit bevor es wieder runter nach Karimabad ging, dort gab es endlich mal wieder „touristische Einrichtungen“ wie Internet, Bäckerei und nette Gästehäuser.
In unserm Gästehaus (wir leisteten uns wegen der super billigen Preise mal wieder ein Zimmer) lernten wir den Deutschen Radler Werner kennen, der schon etliche tausende Kilometer in Afrika und Asien auf dem Tacho hatte. Wir lauschten fasziniert seinen Geschichten, fanden unsere dagegen Pipifax und verabschiedeten uns bereits wieder am nächsten Tag von ihm.
An einem sonnigen Tag ging es auf den Ultar-Trek, eigentlich waren im Wanderführer zwei Tage veranschlagt, wir liefen ihn locker an Einem. Das Besondere bei diesem Trek ist der Weg entlang eines Wasserkanals, der in einen steilen Berg gehauen ist. Der Weg, nur ca. 60 cm breit, schlängelt sich kilometerlang am Berg entlang. Runter schauen war nicht zu empfehlen, denn er fiel 500m steil bergab. Gut, dass es nicht windig war und wir schindelfrei sind. Nach dieser tollen Wanderung hatten wir Blut geleckt und wollten auf eine längere Wanderung gehen. Dazu fuhren wir in das Nagyr-Tal nach Hoper. Auf dem Weg dorthin kam uns ein deutscher Wanderer entgegen, der gerade von dem Trek kam, den auch wir geplant hatten zu gehen. Er wünschte uns viel Spaß und erwähnte nebenbei, dass ihn die Leute im Ort vor fünf Jahren noch mit Steinen beworfen hätten. Na das konnte ja heiter werden. Im Dorf angekommen parkten wir unseren Bus sicher bei einem Gästehaus und machten eine Runde durch das Örtchen. Und tatsächlich kamen einige Geschosse aus Steinschleudern von Kindern hinter uns her geflogen. Ein böser Blick reichte, um die Knirpse einzuschüchtern. Ansonsten war es sehr idyllisch und die Einheimischen begrüßten uns mit „Asalaam aleikum“ (Friede sei mit Dir) und wir antworteten „Aleikum salaam“ (und mit Dir). Na dann konnte uns ja nichts passieren, inshallah (so Gott will).
Am nächsten Morgen ging es dann auf den 5 Tages-Rush-Pari-Trek, der zu einem See führen sollte. Schwer bepackt ging es los. Jeder von uns hatte 15 kg auf dem Buckel, vor allem mit Trinkwasser, Lebensmittel und mehreren Schlafsäcken, denn in der Nacht sollte es sternenklar und daher kalt werden. Zu Beginn mussten zwei Gletscher überquert werden, was selbst für die Einheimischen nicht einfach ist. Da der Gletscher ständig in Bewegung ist, ändern sich die Wege manchmal täglich. Leicht kann man sich auf einem Gletscher verlaufen und abrutschen. Unter Anspannung und ohne Zwischenfälle ging es sicher auf die andere Seite. Alle uns entgegenkommenden Hirten wurden natürlich mit Händen und Füßen nach dem Weg gefragt und so erreichten wir unser Nachtlager Bericho Kor, das aus einer Hütte sowie 200 Schafen und Ziegen bestand. Kaum war die Sonne untergegangen wurde es eisig kalt und wir krochen in unsere Schlafsäcke, Ursel mit einem Inlett in den Daunenschlafsack und Janus in unsere normalen Schlafsäcke, einen über den anderen gezogen. Und diese brauchten wir auch, denn in der Nacht gingen die Temperaturen in die Minusgrade. Am nächsten Morgen sollte es dann bei einem großen Felsen steil bergauf gehen. Wir machten uns auf die Suche nach diesem Felsen und 1 km weiter dachten wir die Stelle gefunden zu haben. Es gab zwar keinen wirklichen Weg, aber bei den Regenfällen in diesem Jahr könnte dieser ja weggeschwemmt worden sein. Also quälten wir uns querfeldein den Berg hoch. Nach vier Stunden umherirren gaben wir es auf und gingen zurück. Auch wenn wir falsch gelaufen waren, gab es doch einen grandiosen Ausblick auf zwei riesige Gletscher, die beide länger als 30 km waren, unglaublich. Am darauf folgenden Tag dachten wir den richtigen Weg gefunden zu haben, aber auch dieser endete nach einer Stunde, also wieder zurück. Jetzt hatten wir die Faxen dicke und kehrten um in Richtung Hoper. Auf dem Weg zurück kam uns ein Spanier entgegen, der Urdu sprach und einen Hirten nach dem Weg fragte. Er gab anstandslos Auskunft: wir hatten den Weg um 2 km verfehlt. Trotzdem waren wir gut gelaunt und kamen am nächsten Tag wieder wohlbehalten in Hoper an.
Nach den Entbehrungen der letzten Tage wollten wir mal wieder eine heiße Dusche und Strom. Deswegen ging es zurück nach Gilgit, wo wir uns in einem Gästehaus zwei Tagen ausruhten, Wäsche wuschen, Kleinigkeiten am Bus reparierten und essen gingen.
Während unserer Zeit im Norden versuchten wir immer wieder herauszubekommen, in welchen Gebieten die Flut die schlimmsten Schäden angerichtet hatten. Einige Freunde in Deutschland hatten uns geschrieben, dass sie Geld spenden wollen und wir es nützlich umsetzen sollten. Doch immer wenn wir die Menschen danach fragten, kamen sie immer wieder auf DAS Thema in Pakistan zu sprechen: 9/11. Seit diesem Tag ging es mit Pakistan rapide bergab. Es kamen keine Touristen mehr, Wirtschaftsbeziehungen wurden eingestellt und was am Schlimmsten für die Einheimischen war, die Welt denkt, dass Pakistaner Terroristen und Sympathisanten der Taliban sind. In den über zwei Monaten die wir hier verbrachten, haben wir unglaublich freundliche Menschen getroffen. Sobald wir Hilfe brauchten war immer jemand zur Stelle und keiner hat uns je als ungläubigen Feind bezeichnet.
Nach fast fünf Wochen auf dem KKH ging es dann in drei Tagen wieder zurück nach Islamabad. Auf dem Weg passierte es dann: hatte unser Brauner tapfer die letzten Wochen auf den wohl schlimmsten Straßen der Welt überstanden, brach jetzt die hintere Feder. Wir hielten im nächsten Städtchen an und verbauten Eine eines Toyotas. Indessen riefen wir bei unserer bekannten VW-Werkstatt in Rawalpindi an und kündigten unser Kommen an.
Und da wir dann schon mal da waren ließen wir dann gleich mal mehrere Dinge nachschauen. Dieses Nachschauen dauerte dann allerdings 10 Tage, denn wie sich herausstellte war einiges kaputt (siehe Busprobleme). Den VW-Shop-Besitzer Moqeem schickte uns der Himmel. Er hatte nicht nur viele Ersatzteile „Made in Germany“, sondern auch allerhand Know-How. Nebenbei machte er unzählige Überstunden, zum Teil bis um 2 Uhr in der Nacht, führte uns zum Essen aus und beschenkte uns dann auch noch mit Pakistan-Souvenirs. Ganz besonders gefiel uns allerdings der Freitags-Ausflug mit seinem VW-Käfer, Baujahr 1960, der in einem super Zustand war. So kurvten wir durch Islamabad und Rawalpindi und fühlten uns wie in den 60ern. Auch wenn mal wieder unser Zeitplan durcheinander gebracht wurde genossen wir die Zeit mit Moqeem und seinem Sohn Shakeel.
Während Janus in den Tagen der Reparatur den Mechanikern auf die Finger schaute ließ Ursel sich vom einzigen Stereobildfotografen Pakistans, Moqeem´s Vater, in die Kunst der 3-D-Fotografie einführen. Hanif Malik hatte schon internationale Preise eingeheimst und den Ehrentitel des pakistanischen Fotografenclubs.
Nachdem alle Arbeiten beendet waren ging es endlich in Richtung Lahore. Hier war die Nähe zu Indien wahrhaftig zu spüren: aufdringliche Rikshafahrer, Uringestank an jeder Ecke, Bettler, Müll und Smog. Wegen der hohen Zimmerpreise entschieden wir uns im Bus zu schlafen. Aufs Klo ging es dann in die 200m entfernte Moschee und zum Duschen ging es in eine Männer-WG. Als wir gerade erschöpft nach einer Sightseeing-Tour im Bus saßen stand plötzlich wieder Radler Werner vor uns. Die Welt ist doch einfach zu klein…
Bevor es weiter nach Indien ging machten wir noch einen Zwischenstopp an der wohl verrücktesten Grenze der Welt. Seit 1948 gibt es die so genannte Grenzzeremonie in Wagah. Nach Schließung der Grenze versammeln sich auf der pakistanischen sowie auf der indischen Seite tausende Schaulustige auf Tribünen, die ihre Soldaten bei der Fahneneinholung anfeuern. Aus Lautsprechern dröhnen so laut es geht Nationallieder, jedes Land versucht lauter als das andere zu sein. Die Menschen springen von ihren Plätzen auf, lassen sich von Trommlern und Vorsängern einheizen und grölen: „Pakistan zindabad!“ – Lang lebe Pakistan!
Die lustig gekleideten Grenzer marschieren im Eiltempo zur Grenzlinie und bauen sich wie muskelbepackte Machos auf. Natürlich wieder unter dem Gejohle der Einheimischen. Ein tolles Schauspiel!
Kleine Pakistan-Statstik:
Reisetage : 68 (davon 32 bezahlte Übernachtungsplätze)
Gefahrene Kilometer: 4740 km
Ausgaben: 10 € pro Person & Tag
Unfälle: mehrmals entkamen wir nur knapp Frontalzusammenstöße mit Bussen und LKWs; die todesmutigen Fahrer wollten beim Überholen einfach nicht einscheren;
Krankheiten : Durchfälle aller Art… bei beiden
Busprobleme : abgerissene Tachowelle – ersetzt, Ölverlust am Motor – Simerring ausgetauscht, Zahnriemen gewechselt, hinter Feder gebrochen – beide ersetzt, Risse im Zylinderblock – gebrauchten & überholten Zylinderblock eingebaut, Wasserpumpe erneuert, Auspuff durchgerostet – geschweißt, Loch in der Leitung zum Turbolader – geschweißt, Kühler verstopft – gereinigt, Außenspiegel von unbekannten Tätern zerstört – Spiegel ersetzt, Glühkerzen verschließen – alle ausgetauscht, Thermostat im Kühlkreislauf ausgetauscht (von 87°C auf 82°C), Fett bei allen Gleichlaufgelenken gewechselt (im Iran wurde das Falsche verwendet)
Highlights: Wild West in Quetta, faszinierender Nanga Parbat im malerischen Astor-Valley, niedliches Karimabad, grandiose Schneeriesen mit endlosen Gletschern, VW-Werkstatt in Pindi, ulkige Grenzzeremonie in Wagah









Nach nun über dreimonatiger muslimischer Gastfreundschaft herrschte in Indien nun ein anderer Ton. Unser Bus wurde zum ersten Mal auf der Reise gründlich von den Grenzbeamten unter die Lupe genommen. Da es aber nichts zum beanstanden gab, fuhren wir weiter ins nahe gelegene Amritsar. Dort befindet sich das Heiligtum der Sikhs, der goldene Tempel. Um ihn zu betreten mussten wir die Schuhe abgeben, unsere Füße waschen und eine Kopfbedeckung tragen. Die Sikhs hatten wir bereits auf der letzten Reise als anständige und nette Menschen kennen gelernt, fragt man sie nach dem Weg bekommt man eine ehrliche Auskunft, fragt man einen Inder, sagt er oft irgendetwas. Ein besonderes Merkmal ihrer Tempel ist, dass sie alle Küchen haben und jeder Besucher ein Essen für umsonst bekommt. Egal ob Sikh oder nicht. So werden im goldenen Tempel täglich bis zu 40.000 Essen zubereitet. An dem Tag an dem wir den Tempel besuchten wurden aber bei weitem mehr Essen ausgegeben, denn es war der Todestag ihres obersten Gurus und alles was laufen konnte begab sich auf dem Weg in den Tempel. Als wir am Abend an ihrem Heiligtum ankamen hatten wir noch die Befürchtung, dass aufgrund der Menschenmasse eine Panik ausbrechen könnte. Doch trotz Rempelei und Gedränge blieb es friedlich, keiner störte sich daran, wenn man auf ihn fiel. Die Sikhs entzündeten überall Kerzen, schüttelten uns die Hände und ließen sich mit uns fotografieren. Nach einem abschließenden Feuerwerk hieß es dann für uns aus der Stadt raus zu fahren und am Stadtrand zu nächtigen. Was für ein tolles Erlebnis wir bereits am ersten Tag in Indien hatten!
Am nächsten Tag machten wir uns dann auf nach Chandigarh. Dort hatte vor über 50 Jahren der pakistanische Flüchtling Nek Chand beim Anblick der Unmengen von Müll in der Stadt, die glorreiche Idee aus dem Müll und den Steinen in der Umgebung einen Garten mit zehntausenden Gestalten und Figuren zu schaffen. Eigentlich nur so für sich, heute besuchen viele Touristen, so wie wir auch, diesen 20 ha großen Fantasiegarten.
In den nächsten Tagen ging es in Richtung nepalesische Grenze. Indien wollten wir erst später richtig bereisen, in Nepal aber wartete die beste Reisezeit auf uns.
Die Straßen waren einigermaßen gut, der Verkehr nicht. Wir waren ja schon einiges aus dem Iran und aus Pakistan gewohnt, was sich hier aber auf den Straßen abspielte grenzte gerade zu an ein Himmelfahrtskommando. Autos überholten sich trotz ständigem Gegenverkehr, drängten sich gegenseitig ab, schnitten sich, es wurde gehupt wo es nichts zum hupen gab, Blinker werden nicht benutzt, Außenspiegel sind abmontiert und jedes Auto hat mindestens eine Delle. Auch uns wollte ein Busfahrer zweimal hintereinander in den Graben drängen. Da das Hämmern an den 10cm entfernten Bus nichts brachte musste die Axt her. Wir schlugen ihm zwei große Dellen mit der stumpfen Seite in seine linke Flanke, fotografierten ihn und sein Nummernschild, danach gab er Ruhe.
Auf den 1350 km die wir durch Indien im Transit fuhren kamen wir immer wieder an Mautstationen vorbei. Oft war es unverschämt, für eine derart schlechte Straße auch noch Maut zu verlangen. Was bereits in Pakistan super klappte, sollte jetzt auch in Indien der Fall sein: wir zahlten einfach nicht. Unsere Begründung war, dass wir Diplomaten seien, das D auf dem Kennzeichen stehe für Diplomatie. Und man glaube es nicht, aber die einfach gestrickten Inder öffneten uns fast immer ohne Probleme die Schranke.
An einem Abend schlugen wir unser Nachtlager auf einer zunächst menschenleeren Wiese auf. Kurze Zeit später war das halbe Dorf um den Bus versammelt. Sie brachten einen Dolmetscher mit und dann mussten wir stundenlang Fragen beantworten, deutsche Lieder singen und unseren Bus vorführen. Kurz vorm schlafen gehen, kam dann der Besitzer der Wiese und wollte wissen, wer wir seien. Es sei hier viel zu gefährlich für uns zu bleiben, außer wenn wir Waffen dabei hätten. Also logen wir vor, dass wir bei der deutschen Polizei in einer Eliteeinheit arbeiteten und selbstverständlich Schusswaffen dabei hätten. Er glaubte uns und dampfte ab.
Am nächsten Morgen um 6 Uhr stand schon wieder das halbe Dorf vorm Bus und trommelte dagegen. Wir sollen rauskommen, sie wollen was zum schauen haben. Wir packten schnell alles hinterm Vorhang zusammen, ließen uns dann noch kurz bestaunen und fuhren in Richtung Grenze ab.
Nach fast 20.000 km erreichten wir am Reisetag 187 die indisch-nepalesische Grenze. Trotz vieler Skeptiker zu Hause hatte es unser Brauner geschafft, wir waren mächtig stolz.
Indien 1 / Nepal (Oktober bis Januar)









Unsere erste Station in Nepal sollte das Städtchen Pokhara sein. Idyllisch gelegen an einem See mit Blick auf das Annapurna-Massiv. Nach zwei Tagen Fahrt erreichten wir den touristischen Stadtteil Lakeside und erlitten unseren ersten unvorhersehbaren Kulturschock auf der Reise: massenhaft weiße Touristen, ein Gästehaus nach dem anderem, Souvenirläden, deutsche Bäckereien, Outdoorläden, Internetcafes und Restaurants für jeden Geschmack. Die Kultur vor der wir hier geschockt waren, war zum Glück unsere eigene und so dauerte es nicht allzu lange und wir arrangierten uns damit mal wieder richtiges Brot zu essen, mit anderen Touristen zu quatschen und sie nebenbei noch in Reiseplanung und Trekkingausrüstung zu beraten. Von Pokhara aus starten die meisten Touristen zu einer Trekkingtour ins oder ums Annapurna-Massiv. Auch wir wollten nicht um die halbe Welt gefahren sein, um dann die Berge nur vom Busfenster aus zu bestaunen. Die fast drei Wochen dauernde Umrundung der Annapurna-Gipfel sollte unser erster Trek in Nepal sein. Was in Pakistan noch fast umsonst zu machen war, kostet hier allerdings eine Stange Geld. 70 € sollte das Permit für uns kosten und das Essen in den am Wegesrand gelegenen Lodges sollte auch bis zum vierfachen Preis des Normalen ansteigen. Für urlaubmachende Touristen kein Problem, für uns aber mit schmalen Tagesbudget fast unmöglich. Wir überlegten tagelang hin und her: loslaufen oder nicht. Wir kamen zu dem Ergebnis, dass wir unser Frühstück für drei Wochen mitschleppen mussten (jeden Tag Porridge mit Pulvermilch und Trockenfrüchten – wer sich jetzt fragt was das ist, in Deutschland kennt man es unter dem Namen Haferschleim) und abends immer nur das nepalesische Nationalgericht Dhal Bhat (Reis, Linsen, Gemüse) bestellen konnten. Es war das einzigste Essen von dem hungrige Wanderer wirklich satt werden, denn ein Nachschlag ist im Preis mit inbegriffen. Na dann nichts wie los…
Eine fünfstündige, holprige Busfahrt später landeten wir in Besisahar, dem Ausgangsort der Umrundung. Gleich zu Beginn lernten wir die beiden Allgäuer Anja und Martin kennen, die im Vergleich zu uns im Eiltempo durch die Berge rannten und nebenbei noch das doppelte Gewicht auf dem Rücken hatten wie wir. Nach drei Tagen gemeinsames Wandern trennten sich allerdings unsere Wege, denn Janus bekam Fieber und Magenkrämpfe. So blieben wir in einem tibetischen Gästehaus ganze fünf Tage bis Janus einigermaßen wieder zu Kräften kam und wanderten dann weiter. Auf dem Weg zum Krankenhaus in Chame, wo Janus sich noch mal durchchecken lassen wollte, begegneten wir John und Karen aus Südafrika. Da John Arzt war und auch in seinen „Ferien“ das Behandeln nicht sein lassen konnte, hatten wir uns den Weg ins Krankenhaus gespart. Janus schien wieder gesund zu sein und so konnten wir mit unseren neuen Wanderfreunden gemeinsam weiterlaufen. Der Weg um das Annapurna-Massiv schlängelt sich zunächst durch tropisches Gelände, vorbei an saftig grünen Reisterassen, tosenden Bergflüssen und riesigen Wasserfällen. Alle 5 bis 10 km kam ein kleines Örtchen mit ein paar Lodges und Restaurants. Die Einheimischen begrüßten einen immer eifrig mit Namaste. Uns war allerdings nie ganz klar, ob sie freundlich zu uns oder zu unseren mitgebrachten Rupien waren. Die Kinder waren oft unmöglich. Sie schrieen schon von weitem nach Süßigkeiten oder Stiften, stellten sich einem dann in den Weg und versuchten uns in die Taschen zu langen, während die Eltern nur wenige Meter hinten dran saßen und das Geschehen ohne Einwände beobachteten. Wir waren schlichtweg genervt von diesem Verhalten, konnten es aber andererseits gut verstehen. Auf dem Trek laufen jedes Jahr bis zu 70.000 Touristen und nicht wenige kommen mit einer gut gefüllten Brieftasche und denken sich nichts dabei, wenn sie den ach so süßen Kleinen mal ein paar Rupien oder ungesunde Leckereien zustecken. Dieser Teil Nepals konnte nicht das wahre Nepal sein. Weiter ging es nun in kargerem Gebirge, vorbei an Schneeriesen, nur noch vereinzelt gab es ein paar Büsche und die Dörfer bestanden oft nur noch aus zwei Häusern, die gleichzeitig als Lodge dienten. Wir waren wirklich überrascht, dass wir sogar auf 4500m auf einer weichen Matratze nächtigen konnten und eine wärmende Decke, die man sich über den Schlafsack legen konnte, zur Verfügung gestellt bekam. Unsere kleine Wandergruppe aus Karen, John und uns beiden wurde bald um weitere Deutsche erweitert. Zuerst stießen Natalie & Ralf und später auch noch Katha & Hannes dazu. Waren wir doch alle so unterschiedliche Reisetypen hatten wir doch eines gemeinsam: die Liebe zu VW-Bussen. Höhepunkt der Annapurna-Umrundung ist die Überquerung des 5416m hohen Thorung-La Passes, dem größten Pass der Welt. Die letzte Nacht vor diesem schweren und vor allem langen Tag verbrachten wir im Base Camp auf 4500m. Nach einer unruhigen Nacht liefen wir am nächsten Morgen um 6 Uhr aufgeregt los. Hatten wir doch zuvor alle noch einen Vortrag über die Höhenkrankheit mit ihren Symptomen und Auswirkungen gehört. So fragten wir uns bei jeder Verschnaufpause nach dem allgemeinen Wohlbefinden und vor allem nach Kopfschmerzen, dem ersten Anzeichen der Höhenkrankheit ab. Ab 5000m merkten wir sichtlich wie die Luft dünner und dünner wurde. An schnell laufen war nicht zu denken, im Gänsemarsch ging es nur mühsam vorwärts. Nach unendlich wirkenden vier Stunden erreichten wir den Pass. Wir fielen uns erleichtert in die Arme, bei den Damen der Wandergruppe kullerten einige Erleichterungstränen. Da es bitterkalt war und die ersten Kopfschmerzen einsetzten, hieß es nach ein paar Beweisfotos schnell abzusteigen. Nach1600 knie-zermürbenden Höhenmetern erreichten wir völlig erschöpft Muktinath, ein malerisches Örtchen mit hinduistischen und buddhistischen Tempeln. Ein guter Ort, um sich einen weiteren Tag von dem 10 Stunden langen Passtag auszuruhen. Weiter ging es nach Kagbeni, wo es doch tatsächlich einen Yak-Donald´s mit Yak-Cheese-Burgern gab. Dort mussten wir einen Zischenstopp einlegen bevor es weiter nach Jomsom ging. Der Weg war eigentlich recht einfach, wenn man sich den Wind weg denkt der uns entgegen pfiff. Wie in einem Windkanal arbeiteten wir uns Meter um Meter vorwärts. In Jomsom nahmen wir dann Abschied von unseren Freunden. Sie fuhren mit dem für uns überteuerten Bus zurück nach Pokhara während wir noch weitere Stunden liefen, um einen billigeren Bus an der Straße abzufangen. Am Ende zahlten wir nur die Hälfte was andere Touristen für die Strecke nach Pokhara bezahlten.
Nach einer Nacht Zwischenstopp in Beni kamen wir nach 20 Tagen und um einige Kilo leichter einigermaßen wohlbehalten zurück in Pokhara an. Nach so einer langen Zeit waren wir fast schon ein wenig aufgeregt wieder unseren Braunen zu sehen, der in der Zwischenzeit sicher bei einer Lodge in Lakeside geparkt war. In unserer Abwesenheit hatte sich einiges getan: Spanier Juan war ebenfalls in Pokhara und hinterließ eine Nachricht an unserem Bus, die beiden Österreicher Kerstin und Rudi, mit denen wir eine lustige Zeit auf dem Campingplatz in Islamabad hatten, waren im gleichen Gästehaus und dann kamen auch noch Anja und Martin wieder in Pokhara an. Die ersten Tage nach dem Trek waren wir ganz schön im Verabredungsstress. In Pokhara trafen wir dann auch noch mal auf die Thorung-La Bezwinger und feierten unseren letzten Abend im Steakhouse. Die Rupien, die wir so mühsam durch das Mitschleppen des Frühstücks auf dem Trek gespart hatten, wurden nun in wenigen Stunden in mehrere Steaks und literweise Bier investiert. Die nächsten Tage mussten wir noch einen weiteren Berg bezwingen: den schmutzige Wäscheberg. Einige Tage später hatten wir ihn auf Meeresspiegel herunter und konnten Pokhara in Richtung untouristischen Westen verlassen.









Bevor es in den Westen Nepals ging fuhren wir ganz in der Nähe von Pokhara auf einen Campingplatz, speziell für Overlander. Dort trafen wir auf die beiden Franzosen Melanie & Julien, sowie Heike und Didi aus Deutschland. Nach vier Wochen schliefen wir endlich mal wieder im Bus, fast so als wären wir zu Hause. Vier Tage später waren wir erholt und konnten zum Bardia National Park in Westnepal fahren. Der untouristische und ruhige Park war ganz nach unserem Geschmack – einfach und wild. Unser Nachtlager schlugen wir auf einer Picknickwiese beim den staatlichen Elefantenstallungen auf. So konnten wir wann immer wir wollten, die Arbeitselefanten beobachten - beim Training, bei der Fütterung, beim täglichen Bad. Eine unglaubliche Kraft verbirgt sich hinter den Dickhäutern. Wir waren fasziniert, genauso wie die Mahouts und die picknickenden Schulklassen von uns und unserem komischen Auto mit „Police System“, wie sie sagten. Was sie wohl damit gemeint hatten? Erst riefen sie: „oh a elefant“, dann entdecken sie uns „oh what is this“ und stürmten im Eiltempo auf uns zu. Schwups drückten sich zahlreiche Köpfe in unseren Bus, um unseren Dickhäuter zu begutachten.
Am nächsten Tag nahmen wir uns vorschriftsmäßig einen Guide und machten eine Dschungelwanderung mit dem Ziel ein Rhinozeros, sprich Nashorn, zu sichtigen. Wir liefen mucksmäuschenstill durch den Dschungel, versteckten uns hinter Büschen, beobachteten die gängigen Trinkstellen der Tiere und warteten. Leider sahen wir kein Nashorn, sondern nur Krokodile, Hirsche und Affen. Wir waren ein wenig enttäuscht, deswegen machten wir uns am nächsten Tag außerhalb des Parks auf die Suche. Warum sollte sich ein Rhino an die Nationalparkgrenzen halten? So fuhren wir weiter in einen nahe gelegen Wald, stoppten in einem Örtchen und gingen mit einem Dorfbewohner auf Nashornsuche. Wieder auf Zehenspitzen folgten wir aufgeregt dem Nepalesen, der wohl der fähigste Führer war, den wir je hatten. Er las die Spuren, achtete auf umgeknickte Äste und analysierte die Kottemperatur. Leider wieder nichts. In der Nacht wollten wir am Waldrand, in der Nähe eines Militärcamps nächtigen. Mehrere Soldaten versuchten uns umzustimmen: wir sollten bei ihnen im sicheren Gelände hinter Stacheldraht und mit Nachtwache schlafen, an unserem jetzigen Platz könne nachts ein Elefant kommen und da wir in seinem Revier stehen den Bussi umwerfen. Wir wollten nicht wieder wie in einem Menschenzoo sein, deswegen lehnten wir ab. Eine Stunde später kam der oberste Leutnant und er befahl uns umzuparken. Am nächsten Morgen ging es dann wieder mit dem gleichen Guide wie am Vortag in den Wald. Nach drei Stunden war auch er enttäuscht. Er würde eigentlich jeden Tag auf ein Rhino treffen. Vielleicht lag es ja an uns. Die Nashörner haben einen ausgeprägten Geruchssinn und wir hatten schon seit Tagen nicht geduscht… Zurück beim Militärcamp wurden wir dann noch zu einem Dhal Bhat eingeladen und mit auf Patrouille genommen, wir waren die ersten Ausländer die mit Ihnen auf die Suche nach Wilderern gingen. Aber auch hier sahen wir nichts Besonderes, nur einen riesigen Tigerfußabdruck und ein paar illegale Grasdiebinnen, die ein Verwarnungsgeld bekamen.
Zurück am Haupteingang des Nationalparks trafen wir dann zum zweiten Mal seit unserem Aufbruch in Deutschland auf Reisende mit einem T 3: Ophélie und Anthony aus Frankreich waren hoch erfreut uns zu treffen, hatten sie doch schon von uns gehört. Nach Begutachtung der beiden Fahrzeuge, zollten wir uns gegenseitigen Respekt und fuhren weiter.
Unsere nächste Station sollte der hohe Norden des Westlandes sein. Wir fuhren zwei ganze Tage in total untouristischen Gebiet, wurden in den kleinen Dörfchen durch die wir fuhren immer von den Einheimischen mit offenem Mund angestarrt, während die Kleinsten winkten und „Bye Bye“ riefen. Irgendwelche komischen Touristen müssen den Kindern in Asien wohl gesagt haben, dass das „Hallo“ heißt. In einem Örtchen am Fluss Karnali legten wir eine Pause am Ufer ein: wuschen unsere Kleider, spülten das Geschirr, picknickten und wuschen uns. Die Einheimischen, die sich nicht getrauten näher zu kommen, schüttelten nur von der oberhalb gelegenen Brücke den Kopf. Wir fanden es verwunderlich, dass keiner zu uns kam, uns ausfragte oder wenigstens aus nächster Nähe anstarrte. Ungewohnt für Nepal. Nachdem die Wäsche trocken war fuhren wir wieder weiter. Am dritten Fahrttag endete dann die halbwegs asphaltierte Straße und ging mal wieder über in eine Schotter-Spurrillen-Schlaglochpiste. Nach wenigen Kilometer entschieden wir, dass wir unseren Bus nicht mehr so zurichten wollten wie in Pakistan. Deswegen kehrten wir um – wieder vorbei an sprachlosen Menschen. Als wir an der Stelle vorbei kamen, wo wir ein paar Tage zuvor in aller Seelenruhe wuschen und badeten, sahen wir was sich normalerweise am Ufer abspielte – es wurde eine Leiche verbrand. Wir hatten an einer hinduistischen Verbrennungsstätte pausiert. Peinlich, egal schnell weiter. Ausländern verzeiht man so einiges im friedlichen Nepal.
Weiter ging unsere Fahrt zurück in die Landesmitte nach Lumbini, die Geburtsstätte Buddhas. Auf dem Weg dorthin nahmen wir eine Nebenstraße, die laut Straßenkarte voll asphaltiert sein sollte. Aber vom Asphalt war wenig zu sehen und sie wurde immer schlechter und schlechter. Irgendwann endete dieses Etwas, was sich Straße nannte und wir standen vor einem Fluss ohne Brücke. Von ein paar herumstehenden Nepalesen erfuhren wir, dass wir durch diesen Fluss fahren sollten, no problem andere Jeeps und LKWs tun das auch. Wir erkundeten zu Fuß den Fluss und stellten fest, dass bei einer Durchquerung Wasser in das Innere laufen würde. Da wir keine Lust hatten mehrere Stunden wieder zurückzufahren fuhren wir im Vollgas durch den knietiefen Fluss, wischten danach das Wasser aus allen Ecken und fuhren weiter nach Lumbini.
In einem riesigen Gelände befinden sich, neben dem eigentlichen Haupttempel, wo Maya Devi ihren Sohn Siddhartha Gautama 563 v.Chr. gebar, zahlreiche Tempel und Klöster aller buddhistischen Nationen. Leider waren viele der Tempel gerade im Aufbau, so dass die sonst meditative Ruhe gestört war. Im Vergleich zum indischen Bodhgaya, wo wir bereits 2006 waren und Buddha seine Erleuchtung fand, war Lumbini enttäuschend. Als Entschädigung sahen wir allerdings die größten fliegenden Vögel der Welt. Der Sarus-Kranich hat eine Höhe von bis zu 1,70m.
Wir folgten den fliegenden Kranichen und kamen im Chitwan Nationalpark raus. Dort campierten wir in einem verschlafenen Örtchen namens Ghatgain, das direkt am Fluss und gegenüber dem Nationalpark gelegen ist. Bei unserer Ankunft auf dem Parkplatz eines Gästehauses kam uns sogleich Holländer Mark entgegen. Er hatte die Schwester der Hotelbesitzerin (Lila) geheiratet und lebe jetzt hier. Zu Hause habe er auch einen VW-Bus und träume von so einer Reise, wie wir sie machten. Mark berichtete uns dann, dass jeden Abend die Nashörner über den Fluss zum fressen kämen, wir sollten uns in der Dunkelheit besser nicht am Fluss aufhalten. Gesagt, nicht getan: wir legten uns abends am Flussufer auf die Lauer. Wieso sollten wir 30 Euro für einen Ausflug in den Nationalpark ausgeben, wenn die Tiere doch rüber kommen? In der Dunkelheit und in dem abendlichen Nebel hörten wir zwar die Tiere, aber sahen sie nicht. Und um näher hinzugehen hatten wir doch zu großen Respekt vor den dinosaurierähnlichen Geschöpfen.
Die Familie von Lila war doch sehr angetan von uns und lud uns zu einem nepalesischem Frühstück ein: es gab Milchreis, dazu scharfes Gemüse und Chapatis (dünne Fladenbrote) – ungewohnt, aber lecker. Da im 15 km entfernten Nachbarort das jährliche Elefantenpolo stattfand und die Familie noch nie dort war, luden wir sie im Gegenzug ein mit uns dorthin zu fahren. Sie machten sich für diesen Tag schick und waren auch ein wenig aufgeregt, mit Ausländern fährt man ja schließlich nicht jeden Tag. Zusammen durften wir dann auch im VIP-Bereich sitzen während die anderen Einheimischen um das Spielfeld stehen mussten. Das Elefantenpolo war lustig und peinlich zugleich. Gut genährte, weiße, biertrinkende Briten saßen hinter dem Mahout auf dem Elefanten, konnten sich gerade so aufrecht halten und schlugen mehr neben als auf den Ball. Nach ein paar Stunden endete dann der Spektakel und wir fuhren zurück nach Ghatgain.
An unserem letzten Abend gingen wir wieder zum Fluss auf Rhinosuche. Heute war es nicht so neblig und tatsächlich nach nur zehn Minuten entdeckten wir ein riesiges Exemplar, das nur 20 Meter entfernt im Fluss stand und gemütlich fraß. Wir bestaunten einige Minuten das Tier, versuchten es vergeblich zu fotografieren und liefen dann schnell zurück ins Gästehaus. Dort saßen zwei Norweger mit ihrem Guide und wollten das Tier auch sehen. Also wieder zurück zu der Stelle, wir voraus, dann die Norweger und mit zitternden Knien der Guide. Das Rhino war immer noch da. Nach einigen Minuten entdeckte es uns und schnaubte laut. Das war das Zeichen: Rückzug und zwar schleunigst.









Nachdem wir Lila und Mark bei ihrer Verwandschaft in Kathmandu abgesetzt hatten, machten wir uns auf die Suche nach einem Stellplatz für unseren Braunen. Im Kathmandu Peace Guesthouse wurden wir fündig und parkten dort für die nächsten Tage. Bereits am nächsten Morgen standen ganz unverhofft Kerstin und Rudi vorm Bus. Die Wiedersehensfreude war groß und wir konnten gemeinsam die Stadt erkunden. Von vielen anderen Reisenden hatten wir gehört, dass Kathmandu sehr indisch sein sollte, mit viel Müll, Smog, aufdringlichen Bettlern und chaotischen Verkehrsverhältnissen. Wir machten uns auf das Schlimmste gefasst und waren überrascht: Kathmandu gefiel uns auf Anhieb. Hinter jeder Ecke, im noch so kleinsten Winkel verbarg sich ein ansehnlicher Tempel, tolle alte Holzhäuser und das ursprüngliche nepalesische Straßenleben.
Neben vielen hinduistischen Sehenswürdigkeiten gab es auch die der Exil-Tibeter. So marschierten wir unter anderem zum Swayambhutempel, der wegen der umherstreunernden Affen auch Affentempel genannt wird. Buddha wird nicht nur von Buddhisten sondern auch von den Hinduisten verehrt, denn er gilt als Reinkarnation der hinduistischen Gottheit Vishnu. Wir taten dort das, was wir am Liebsten bei solchen Sehenswürdigkeiten machen, wir beobachteten die Einheimischen beim Beten, bei der Meditation oder ganz einfach beim Verrichten ihrer alltäglichen Dinge. Nach einer gewissen Zeit waren wir hungrig und gingen in den erstbesten Laden um tibetische Momos (gefüllte Teigtaschen) zu essen. Der Besitzer des Bretterbudenrestaurants konnte kaum glauben, dass Janus wirklich 30 dieser Dinger verzehrt hatte und wollte unbedingt ein Foto mit ihm. Gut gestärkt und mit rundem Bauch ging es weiter zum Durbar Square, ein Gelände mit alten Tempeln und Holzhäusern. Hier sollten Touristen 3 € Eintritt bezahlen. Wir sahen es gar nicht ein für einen für uns mittlerweile gewöhnlichen Stadtteil soviel Geld hinzulegen und schlichen 10 Meter neben dem Kassenhäuschen vorbei.
In Kathmandu hatte unser Bus mal wieder seine Wehwehchen. Diesmal war die Lichtmaschine dran. Unsere beiden Batterien wurden einfach nicht mehr geladen. Janus und Rudi machten sich dran die Ursache zu finden. Nach langer Suche konnten sie die Ursache beheben. Zeitfaktor: vier Tage, finanzieller Aufwand: 4 Euro (inklusive neuem Lötkolben).
Der eigentliche Grund warum wir nach Kathmandu kamen war allerdings ein anderer. Wir brauchten mal wieder ein Visum für Indien und stellten uns früh morgens in die Schlange bei der Botschaft. Um einen Antrag auf ein Visum zu stellen mussten wir allerdings zuerst über die indische Botschaft in Kathmandu ein Fax zum indischen Konsulat in Frankfurt schicken, um eine Art Unbedenklichkeitsbescheinigung zu erhalten. Die Antwort lässt mindestens eine Woche auf sich warten, bevor man sich wieder in die Schlange stellen kann, um seinen Antrag abzugeben. Solange wollten wir natürlich nicht warten und lieber zu einem späteren Zeitpunkt wieder kommen. Fortsetzung folgt.
Mittlerweile wissen wir ja, dass die Welt klein ist und Kathmandu ist noch viel kleiner. Daher waren wir gar nicht so überrascht wieder auf den Motorradreisenden Spanier Juan und den deutschen Radler Werner zu treffen, die wir beide in Pakistan kennen gelernt hatten. Nachdem wir uns die neusten Geschichten erzäht hatten und die aktuellen Reiseinformationen ausgetauscht hatten, mussten wir uns allerdings wieder voneinander verabschieden. Für Juan ging es mit seinem Motorrad per Flugzeug weiter nach Bangkok, während Werner zum Weihnachtsfest in die Heimat flog. Von Kerstin und Rudi verabschiedeten wir uns nur für ein paar Tage, denn wir hatten vereinbart Weihnachten und Silvester in Pokhara zusammen zu verbringen.
Wir fuhren erst mal weiter zum nur wenige Kilometer entfernten Boudha. Die Hauptattraktion dort ist eine buddhistische Stupa, die heilige Reliquien Buddhas enthalten soll. Buddhistische Pilger, hauptsächlich Tibetische, umlaufen im Uhrzeigersinn die Stupa, während sie Gebetsmühlen drehen, die die Gebete mit dem Wind in alle Welt tragen sollen. Andere wiederum werfen sich immer und immer wieder erfürchtig auf Holzbrettern zu Boden. An dem Tag unseres Besuches war ein besonders Fest und ca. 2000 Mönche hatten sich um die Stupa versammelt. Ein Lama rezeitierte Gebete, während Zimbeln, Trommeln und riesige Tröten zu hören waren. Eine mystische Stimmung lag auf dem Gelände. So musste es wohl vor langer Zeit in Lhasa gewesen sein. Am nächsten Morgen wurden wir leider von unserem Parkplatz im Hof eines Hotels verjagt, so dass wir schon früher als geplant weiter fuhren. Unsere nächste Station war die Altstadt von Bhaktapur, die ebenfalls nur wenige Kilometer weiter lag. Für diese Sehenswürdigkeit werden westlichen Touristen 7,50 € abgeknöpft. Es war nicht leicht für uns die zehn Kassenhäuschen, die an jeder Zugangsstraße zur Altstadt aufgestellt waren zu umgehen. Wir parkten den Bus vor der Stadt und schlichen uns durch eine schmale Gasse hinein. Aber auch hier waren wir nicht ganz entspannt und sicher, da auch im Gelände Aufpasser in Zivil waren. Wir sagten uns einfach, dass wenn sie uns erwischen, wir länger in der Stadt bleiben und wenn nicht am gleichen Abend wieder raus schleichen. Die Altstadt Bhaktapurs war spitze. So viele verzierte Tempel, schnuckelige Paläste und kleine Holzhäuser gab es nur hier. Und wir hatten Glück: am Nachmittag verließen wir mit den 15 € die Altstadt.
Zum Schlafen ging es am Abend in ein kleines Wäldchen. Wir hatten gerade einige Stunden geschlummert als wir Geräusche vorm Bus hörten. Eine Gruppe betrunkener Nepalesen hatte die grandiose Idee uns mitten in der Nacht aus dem Schlaf zu reißen, indem sie immer wieder an den Bus schlugen, ein Feuer entzündeten und mit ihren knatternden Motorrädern um den Bus fuhren. Wir versuchten es zuerst mit Rufen aus dem Inneren. Aber gerade jetzt hatten sie Lust noch mehr an die Karosserie zu hauen bis wir die Schiebetür öffneten und ihnen bestimmt mitteilten, dass sie sofort die Fingern von unserem Auto lassen sollten. Zwei total Betrunkene drohten uns daraufhin Schläge an. Der Rest der Gruppe hielt sie allerdings zurück und unsere Engelszungen wurden erhört.
Am nächsten Morgen ging es mit Augenringen weiter nach Nagarkot, von wo man aus eine super Sicht auf das Himalayapanorama hat. Wir versuchten die unzähligen Bergspitzen zu zählen, wurden aber immer wieder von der Unmenge an Nepalesen, die dort picknickten und einen riesigen Müllberg hinterließen gestört.
Nach Nagarkot ging es für uns wieder zurück nach Pokhara. Zwei Tage später erreichten wir die Stadt, die wir mittlerweile schon gut kannten. Auf dem Overlander-Campingplatz trafen wir dann wieder auf Kerstin und Rudi sowie 15 weitere Overlander. Besonders eine französische Familie mit vier Kindern, die in einem Mercedes-LKW seit vier Jahren unterwegs sind, hinterließen einen mächtigen Eindruck. Zusammen feierten wir bei einem lieb gestalteten Stall (als Jesuskind musste ein Stofftier der Kinder herhalten) an einem Lagerfeuer Weihnachten. Nachdem jeder ein Weihnachtslied in seiner Muttersprache gesungen hatte (wir trällerten „O Tannenbaum“) bedienten wir uns beim selbst gemachten Glühwein und grillten Wasserbüffelsteaks. So konnten wir gut unser erstes Heimweh nach der Familie und der Weihnachtsgans überstehen.
Am darauffolgenden Tag skypten wir dann mit Ursels Familie. Toll alle wohlbehalten vor der Kamera rumspringen zu sehen.









Ein Overlander nach dem anderen verließ nach Weihnachten den Campingplatz. Auch wir fuhren, gemeinsam mit Kerstin & Rudi, zurück ins touristische Lakeside, wo wir Silvester zusammen verbringen wollten. Unser Jahreswechsel wurde allerdings durch einen Laptop-Crash getrübt, wobei zahlreiche Bilder und Dateien verloren gingen. Wir hatten noch Glück im Unglück, denn PeCi-Fachmann & Overlander Franco aus der Schweiz hauste im Nachbarhotel und half uns in den nächsten Tagen einiges zu retten. Silvester selbst verbrachten wir mal wieder im grandiosen Steakhouse von Pokhara und dann, ganz unspektakulär, mit ein paar Flaschen Bier am Lagerfeuer eines Restaurants.
Nach ein paar Reparaturtagen an unserem Laptop machten wir uns dann auf den Weg zurück nach Kathmandu, um unser Indienvisum nun wirklich zu beantragen. Auf dem Weg dorthin legten wir einen Zwischenstopp im malerischen Örtchen Bandipur ein. Die Häuser, Menschen und Tempel waren ja alle ganz nett, aber wir merkten hier, dass wir genug nepalesisches gesehen hatten. Es war Zeit für etwas Neues – es war Zeit für Indien.
In Kathmandu ging es sogleich zur indischen Botschaft. Unser Fax sollte, nach drei Wochen Bearbeitungszeit, beantwortet sein. Aber so war es nicht, die indische Botschaft in Frankfurt hatte einfach nicht geantwortet. Oder kam unser Fax vielleicht niemals dort an? Oder wurde es vielleicht gar nicht abgeschickt? Oder war das Ganze nur Geldmacherei & Schikane? Wir wussten es nicht. Aber eines war klar: ohne ein Antwort-Fax gibt es nur ein 3-Monatsvisum, was für ein Land, das größer ist wie halb Europa, doch lächerlich ist. Wir betrieben also „sweet talking“ am Schalter & legten einen nettes Begleitschreiben unserem Antrag bei. Und siehe da, am Nachmittag konnten wir zufrieden ein 6-Monatsvisum in den Händen halten.
Zwei Tage später ging die Fahrt weiter zur Ostgrenze von Nepal. Einen Halt legten wir in Daman ein; ein Örtchen, das außer der Sicht auf das Himalaya nichts zu bieten hatte. Aber diese war perfekt: vom Annapurna-Massiv im Westen konnte man bis zum Mount Everest im Osten sehen. Gigantisch! Dafür sprang unser Bus am nächsten Morgen nicht mehr an. In einem zweistündigen Kraftakt schoben wir den Braunen von unserem Schlafplatz zurück auf die Straße, ließen ihn den Berg runter rollen und konnten mit laufendem Motor wieder hoch fahren. Puh, geschafft.
Die Fahrt in den Osten dauerte weitere zwei Tage. Es wurde immer indischer. Auf der Autobahn war die Hölle los: Fahrradrikshas, Drahtesel, Fußgänger, spieldende Kinder, Bettler, rollende Essenstände. Wir fuhren wie in einem Computerspiel: rechts, links, bremsen, ausweichen, hupen...
An der Grenze dann das gleiche Schauspiel, wie schon bei der Einreise: die Grenze war offen & man konnte einfach rüber laufen. Um seine Stempel musste man sich selbst bemühen. Wir waren die einzigsten Weißen und daher nicht überrascht als der Zollbeamte nicht wusste, wie er unser Carnet ausfüllen sollte. Er stempelte erst mal auf der falschen Seite ab und probierte dann die Funktionalität seines Kugelschreibers mit einem Riesenkringel auf der Vorderseite des Carnets aus.
Nun waren wir also wieder in Indien, 6 Monate liegen vor uns, wir wussten nicht ob wir uns darüber freuen sollten. Denn die riesigen Distanzen bereiteten uns aufgrund der chaotischen Verkehrsverhältnisse Sorgen.
Kleine Nepal-Statstik:
Reisetage : 89 (davon 70 bezahlte Übernachtungsplätze, wobei die Teuerste bei 3,50 Euro lag)
Gefahrene Kilometer: 3010 km
Ausgaben: 11 € pro Person & Tag
Unfälle : um ein Haar hätten wir in den frühen Abendstunden einen Mann überfahren, der (wohl betrunken) mitten auf dem Highway lief
Krankheiten: Lebensmittelvergiftung (Janus), Mandelentzündung (Ursel), ständige Erkältungen (bei beiden)
Busprobleme : schlechtes Anspringen – Ursache noch unklar, Generator defekt – Kohlebürsten ausgetauscht, vierte Einspritzdüse undicht - abgedichtet, Luftfilter verschmutzt – sauber gemacht, Kupplungsgeberzylinder undicht – provisorisch abgedichtet
Highlights: Landschaft zwischen Pisang und Muktinath auf dem Annapurna-Trek, mystisches Boudha, verwinkeltes Bhaktapur, spannende Rhinosuche in Bardia und Chitwan









Indien (Januar bis Juni)
Indien – kein anderes Land fasziniert und schreckt gleichzeitig ab wie dieses. Kein anderes Land ist so vielseitig, bunt, quirlig, vermüllt, bettelarm & nervig. Ein Land der Gegensätze.
In Indien widmen wir uns erstmal dem Besten was es zu bieten hat – dem Essen. Bei Masala Dosa (dünner Linsenmehlpfannkuchen), Thali (Reis mit mindestens drei verschienen Currys), Samosa (gefüllte fritierte Teigtasche) und Biryani (Gewürzreis) vergessen wir die ganzen Gaffer um uns herum, die uns unentwegt anstarren.
Da wir die meisten Indien-Highlights bei unserer ersten Reise bereits besucht hatten und wir gerade in der Nähe waren, machten wir uns sogleich auf zu den abgelegenen und schwer zu bereisenden Nordoststaaten Indiens. Auf den 600 km bis dorthin, sterben wir so einige Tode, der Verkehr ist unbeschreiblich. Begriffe wie defensives Fahren, Schulterblick und toter Winkel gibt es hier nicht. Aus Seitenstraßen wird ohne irgendwelche Vorfahrtsregeln zu beachten herausgefahren. Außenspiegel sind entweder abgefahren, eingeklappt oder gleich ganz abmontiert. Es wird ständg überholt ohne zu schauen, ob überhaupt frei ist. Wie oft mussten wir eine Vollbremsung hinlegen oder auf den unbefestigten Seitenstreifen ausweichen, weil uns ein LKW oder Bus im Karacho und mit Lichthupe auf unserer Fahrbahn entgegen kam. Auf unser Recht zu beharren ist aussichtslos. Oft zeigen wir den ausgestreckten Mittelfinger – ernten aber nur Gelächter und bekommen zugewunken. Später erfahren wir, dass in Indien dieses Zeichen nicht so geläufig ist... Wir verfluchen alle Busfahrer, die mit Abstand die Schlimmsten sind und schwören uns, wenn wir eines Tages einen Inder kennen lernen und er offenbart uns, dass er Busfahrer ist hat leider sein letztes Stündchen geschlagen. Bevor wir am Morgen auf die Straße fahren senden wir ein kurzes Gebet an unseren Schutzengel, dass er uns heute wieder lebenig durch den Tag bringen möge. Hier gwinnt der Sichterheitsgurt wieder an Bedeutung, ihn hatten wir in den bergigen Gegenden nicht angelegt, um im Falle eines Absturtzes schnell aus dem Fahrzeug springen zu können.
Wir nächtigen wie so oft wild; schlafen irgendwo, wo es ruhig und einigermaßen schön bzw. nicht zugemüllt ist. Bereits in der zweiten Nacht klopft es gegen 22 Uhr an den Bus, wir hatten bereits geschlafen, weil wir so vom Verkehr geschafft waren. Verdattert öffnen wir die Schiebetür (wie immer stehen die Störer an der falschen Seite – in Indien sind die Schiebetüren auf der linken Seite) und sehen uns ca. zehn bewaffneten Polizisten gegenüber. Wir dürften hier nicht schlafen, es sei zu gefährlich. Nach langem Hin & Her fahren wir mit zur Polizeistation, wo uns ein sicherer und ruhiger Schlafplatz versprochen wurde. Doch so einfach lassen sie uns natürlich nicht gehen, wir müssen beim Oberst vorsprechen und unsere Pässe vorlegen. Dieser hatte wohl noch nie Ausländer vor sich sitzen, denn erst hält er einen unserer Pässe falsch herum und versucht diesen zu lesen, dann nach einem dezentem Hinweis blättert er herum und behauptet wir wären mit abgelaufenem Visum da. Bei nährem Hinsehen stellt sich heraus, dass er das Iran-Visum vor sich hat. Das hohe Tier braucht dann noch eine geschlagene halbe Stunde, um unsere Namen und Passnummern aufzuschreiben („Nein das ist mein Geburtsort und nicht mein Nachname usw.“). Dann endlich gehts zurück in den Bus und zum Teil 2 dieser Nacht.
In der nächsten Nacht ein ähnliches Schauspiel, nur diesmal ist es 5:30 Uhr und drei Militärfahrzeuge haben uns entdeckt und finden es total großartig uns zu wecken, unseren Bus zu inspizieren und dann ein Lied nach dem anderen zu trällern. Das wars also mit der Nachtruhe, weiter geht die Fahrt.
Wir sind mittlerweile im Staat Assam angekommen. Soweit das Auge reicht Teeplantagen. Wunderschön, nur leider ist gerade keine Saison und wir bekommen keine pflückenden Frauen vor die Linse. Das größte Highlight in Assam ist allerdings nicht der Tee, sondern der Kaziranga Nationalpark mit seinen 2000 Nashörnern. Wir sind gerade auf dem Weg zum Örtchen Kohora, wo der Eingang zum Nationalpark liegt, als wir ein Nashorn 20m von der Straße entfernt im Feld grasen sehen. Unglaublich, in Nepal streifen wir tagelang durch die Dschungel, um dann Eins zu erblicken und hier steht es unscheinbar an der Straße. Wir halten an, beobachten und fotografieren es, während es sich beim seim Fraß nicht stören lässt. Auf der weiteren Fahrt entdecken wir noch 15 weitere Exemplare, unter anderem auch ein Muttertier mit Baby. In Kohora haben wir in der kurzen Zeit unser Stamm-Hotel (ein einfaches Restaurant wird hier Hotel genannt, was bei der Zimmersuche unserer ersten Indienreise oft zu Verwirrung geführt hatte) gefunden uns sitzen gerade beim Frühstück als ein rasender Reporter die Tür hereinstürmt und uns um ein Interview für seine Nachrichtensendung auf einem der vielen indischen Fernsehsender bittet. Wir essen schnell fertig und stehen dann mit vorgehaltenem Mikrofon Rede und Antwort, führen unseren Braunen vor und sehen ihn genauso schnell wieder verschinden wie er aufgetaucht ist.
Im Örtchen bestaunen wir wieder Arbeitselefanten und fahren „unabsichtlich“ in den Nationalpark. Das Glück hält allerdings nur kurz – nach 2 km haben uns Ranger im Visier und rasen mit ihrem Jeep und Lichthupe hinterher. Wir befinden uns im Nationalpark, in dem keine privaten Fahrzeuge erlaubt sind und außerdem haben wir nicht einmal ein Eintrittsticket. Dieses wollten wir sowieso nicht kaufen, da uns die ganze Abzocke was Ausländer angeht ziemlich gegen den Strich geht. Während Inder umgerechnet 40 Cent Eintritt zahlen, sollen wir 5 Euro hinlegen. Hat man dieses dann bezahlt soll man noch eine überteuerte Jeepfahrt buchen, die dann mit 15 Euro zu Buche schlägt. Ohne uns. Wir fahren noch ein wenig durch Assam als wir mal wieder eines nachts unsanft geweckt werden. Die Polizei findet unseren Schlafplatz mal wieder nicht den Sicherheitsvorschriften gemäss, in einem Satz erwähnen sie, dass die Bewohner des nahe gelegenen Dorfes sie gerufen hatten, sie hielten uns für Terroristen, wahrscheinlich wegen unserem „Volkswagen Club of PAKSITAN“-Aufkleber. Und da sich Terroristen der beiden Länder mit gegenseitigen Bombenattentaten attakieren, war den Bewohnern die Verbindung zu Bombenlegern nahe. Diesmal weigerten wir uns vehement. Wir erklärten ihnen, dass sie gerne eine Eskorte neben uns parken dürften um uns zu bewachen. So war es dann auch, wir hatten diesmal gewonnen und konnten ohne umzuparken weiterschlafen.
Einen Abstecher machten wir dann noch in den Staat Meghalaya. In der ehemaligen Hill Station Shillong finden wir beim Don Bosco Musem einen Schlafplatz. Shillong ist hübschhäßlich – die Straßen sind verstopft mit Fahrzeugen und dennoch hat die Stadt mit ihren gepflegten Häusern und aufgehängten Mülleimern (da dies so ungewöhnlich für Indien ist, musste es hier erwähnt werden) ihren Charme. Wir stürtzen uns in den verwinkelten Bara-Bazar und finden einen frauendominierten Handel vor. Es gibt nichts was es nicht zu kaufen gibt und die Einheimischen lassen sich munter fotografieren. Allerdings gab es ab und zu Geschrei, da sie das Bild, nachdem wir es ihnen auf dem Display gezeigt hatten, haben wollten. Sie konnten nicht verstehen, dass wir das Bild nicht aus dem Fotoapparat holen konnten. Also nichts wie weg - zum nächsten Geschrei....
Eine Vorliebe der Einwohner von Shillong ist das Lottospiel. Allerdings läuft dies hier nicht wie bei uns mit Kugeln, Lottofee und Zusatzzahl ab, sondern mit Pfeilen. Auf einem Spielfeld versammeln sich jeden Tag 50 Bogenschützen, die in einer vorgegebenen Zeit so viele Pfeile wie möglich in einem Strohballen versenken. Nach Ablauf der Zeit werden die Pfeile unter Aufsicht gezählt. Bei dem Ergebnis zählen allerdings nur die letzten beiden Ziffern. In der ganzen Stadt findet man Wettbüros und auch wir wollten unser Glück versuchen und setzen auf eine Sieben am Ende. Unser Wetteinsatz betrug 15 Cent. Wir waren fast ein wenig aufgeregt als die Pfeile ausgezählt wurden. Am Ende erreichten 847 Pfeile das Ziel – wir hatten im Lotto gewonnen. Freudestrahlend ging es zu dem Wettbüro zurück indem wir gesetzt hatten und holten stolz unseren Gewinn von 1,50 Euro ab.
Mit dem Gewinn in der Tasche fuhren wir weiter zur Grenze von Bangladesch, in die regenreichste Region der Welt. Im Distrikt Cherrapungee trafen wir im einzigsten Resort mal wieder auf Touristen. Highlight der Region ist neben dem Regen sogenannte Wurzelbrücken. 200 Jahre brauchen diese zum entstehen. Die Wanderungen zu diesen Brücken waren schon die Anreise wert. Wir kamen uns wie auf einem riesigen Abenteuerspielplatz vor: Stahlseilhängebrücken, an denen man sich entlanghangeln musste, natürliche Frischwasserpools, in denen wir uns erfrischen konnten und natürlich die Wurzelbrücken, die zum Teil sehr wackelig waren. Beim abendlichen Lagerfeuer berichteten uns andere Touristen, dass die „verbotenen Staaten“ Mizoram, Manipur und Nagaland, für die man seit eh und je ein Permit aus Delhi brauchte, seit zwei Wochen offen seinen. Wir könnten dort ohne vorherigen wochenlangen Papierkram einreisen. Gesagt – getan. Zurück in Shillong besorgten wir uns von oberster Stelle eine Kopie des Innenministeriums über diese Änderungen und fuhren los zur Grenze von Mizoram.
Natürlich hatten wir auf dem Weg dorthin mal wieder eine nächtliche Auseinandersetzung zunächst mit dem Militär, dann mit der Polizei, wobei wir am Ende mal wieder zusammenpacken und umparken mussten.
Kaum waren wir in Aizwal, der wohl steilsten Bundeshauptstadt, angekommen regrestrierten wir uns bei der Polizei. Da Samstag war und alle Ämter zu hatten, mussten wir den Polizeichef von seinem Badmintonspiel holen, der uns dann sogleich zum zuständigen Büro 5 km weiter brachte. Dort begrüßte man uns als die ersten Ausländer, die mit dem eigenen Auto angereist kamen. Einen Anruf später hatte er uns dann noch einen Schlafplatz bei einem Hotel organisiert und die Verkehrspolizei per Funk informiert, dass sie uns den Weg zum Hotel weisen sollten. Toll, nachts mal durchzuschlafen ohne von der Polizei geweckt zu werden. Jedoch klopfte es eines Mittags mal wieder an den Bus und der Secret Service der indischen Regierung stand vor unserer Tür...









Menschenhändler? Terrorist? Opiumschmuggler? Mr Mung vom Secret Service musste sich in einem Interview davon überzeugen lassen, dass wir nichts dergleichen waren. Zuvor hatte er sich bei der deutschen Botschaft in Delhi über uns erkundigt, aber die wussten natürlich auch nicht wer wir waren. In den kürzlich geöffneten Bundesstaaten des Nordostens war man sehr verunsichert über Individualreisende, und dann waren wir auch noch mit eigenem Auto angereist und schwer zu fassen. Nachdem wir ihm erklärt hatten, dass wir auf Hochzeitsreise sind und nicht die geringste Absicht hatten irgendwelche Konflikte mit dem Gesetz einzugehen war er etwas beruhigt. Allerdings mussten wir mit ihm unsere geplante Route besprechen und ihn jeden Abend telefonisch informieren wo wir gerade seien. Mr Mung dampfte zufrieden ab und auch wir verließen am darauffolgenden Tag die Hauptstadt und fuhren ins ländliche Mizoram.
Mizoram ist kein Indien. Die Menschen putzen sich sonntags für den Kirchgang fein raus, Hunde kommen an die Leine oder in den Kochtopf, Gesichter ähneln derer Burmesen, Offenheit und Freundlichkeit sind an der Tagesordnung. Toll, ein wenig Urlaub von Indien zu haben. Im Städtchen Champhai an der burmesischen Grenze gab es wie so oft in Mizoram nichts wirklich Touristisches zu sehen. Unsere Highlights waren die bunten Märkte, die anderesartigen Gesichter und das überall gegessene Schweinefleisch. Wir hatten noch nicht am Gästehaus geparkt als uns schon zwei weitere Mitarbeiter des Secret Service in Empfang nahmen. Da es in Mizoram gerade Dieselprobleme gab und nur bestimmte Personen eine Genehmigung erhielten den Treibstoff zu bekommen, dachten wir bei Anblick der Beiden an den alt bekannten und fast nie bewährten Spruch „Die Polizei, Dein Freund und Helfer“ und beauftragten die zwei sichtbar Unterbeschäftigen damit uns 60 Liter Diesel zu organisieren. Nach zwei Tagen hatten sie allerdings immer noch nichts erreicht und wir nahmen das Ganze selbst in die Hand. Und man wird es schon ahnen: zwei Ausländer in einer Kleinstadt sorgen für Aufsehen und eine Stunde später saßen wir beim zuständigen Beamten, der die Genehmigungen ausstellt, auf dem privaten Sofa, bekamen Essen vorgesetzt und eine Videokamera vor die Nase gehalten. Wir machten gute Miene zu diesem aufgesetzten Spiel und bekamen dann das wichtige Papier. An der Tankstelle ging dann nach 30 Litern die Zapfsäule kaputt und wir brauchten noch einen weiteren halben Tag um 10 Liter auf dem Schwarzmarkt zu kaufen. Mit 40 Litern sollten wir es auf der von Mr Mung besagten Straße bis zur Hauptstadt des nächsten Bundesstaates Manipur schaffen. Wir fuhren also vergnügt los. Vorbei an kleinen Siedlungen, pfeiferauchenden Frauen und auf Glanz polierten Kirchen. Wir wunderten uns ein wenig, dass uns in vier Stunden Fahrt nur ein einziges Auto entgegen kam, naja vielleicht lag es daran, dass Sonntag war. Am ersten Fahrttag kamen wir gute 140 km voran und schlugen unser Nachlager an einem Fluss an der Grenze zu Manipur auf. Am nächsten Morgen wollten wir früh starten, denn wir wussten, dass die Straße schlechter werden sollte und Banditen die Gegend unsicher machten. Bereits nach wenigen Metern waren wir entmutigt. Das was wir hier vorfanden konnte man beim besten Willen keine Straße nennen, vielmehr eine Dschungelpiste nach der Regenzeit. Befahrbar nur für LKWs mit großer Bodenfreiheit. Für den ersten Kilometer brauchten wir 40 Minuten. Wir rechneten uns aus wie lange wir für die 150 weiteren Kilometer in diesem Tempo brauchen würden, wie viele Teile am Braunen zu Bruch gehen könnten und wie leicht es doch sei uns im Schritttempo auszurauben. Nach Beratschlagung kehrten wir also um. Wir hatten auf unserer Straßenkarte eine weitere Möglichkeit entdeckt und diese wollten wir nun nutzen. Wir fuhren zwei weitere Tage bis zu dieser Abzweigung und fragten die Einheimischen nach dem Weg. Einige wollten uns schon auf die unbekannte Straße schicken, als jedoch ein paar schlauere Füchse kamen und uns mitteilten, dass die Straße nach 70 km endet, da eine Brücke seit mehreren Jahren fehlt. Dieser Weg war also auch unmöglich. Dass es so schwierig ist im Nordosten zu reisen hatten wir nicht vermutet. Die Staaten Manipur und Nagaland waren also für uns gestorben. Wir fuhren in die Hauptstadt Aizwal zurück, zum ersten Mal ohne irgendwelche weiteren Pläne in der Tasche. Ein komisches Gefühl nicht zu wissen wo hin man soll. Wir überlegten einige Tage und fuhren dann weiter zum Bundesstaat Tripura, der an Bangladesch grenzt. Auf dem Weg dorthin machten wir einen Zwischenstopp im Dampa Tiger Reserve. Natürlich sahen wir keinen Tiger, sondern nur einen netten Wald und eine Fledermaushöhle. Wir erholten uns einige Tage in der dortigen Tourist Lodge und fuhren dann weiter ins besagte Tripura. Die Straße war mal wieder dschungelartig. Diesmal aber petzten wir die Arschbacken zusammen und ruckelten im Schneckentempo voran. Die Strapazen hatten sich gelohnt: wir kamen durch eine der wohl entlegensten Gebiete Indiens überhaupt. Das Leben scheint hier still zustehen, alles geht seinen gemächlichen Gang. Wir fahren vorbei an webenden Frauen, Kindern mit gestapelten Wasserbehältern auf dem Kopf, Opiumrauchenden Weibern. Als wir mit der Kamera auf sie zugehen sind sie verunsichert, verstecken sich oder lassen sich nur schüchtern ablichten. Weiße, und dann noch mit gelben Haaren, haben sie zuvor noch nie gesehen.
Als wir aus den bergigen Region ins flachere Tripura vorstoßen ist es vorbei mit der Schüchternheit und Zurückhaltung. Neugierige Gesichter drücken ihre Nasen an den verschmutzen Scheiben platt, starren uns minutenlang an. Bei den Felsreliefs von Unakoti werden wir für 300 Schüler zu Affen. Sie schreien wie wild, rennen uns hinterher, wollen uns fotografieren, anfassen. Wir sind dankbar als der Lehrer sie nach einer Stunde zurückpfeift und wir wie normale Touristen die Sehenswürdigkeit betrachten können. Am Nachmittag fahren wir weiter und halten kurz nach der Grenze zu Assam an einem Anwesen zwischen Teebüschen mit super Rasenfläche zum parken. Das wäre ein genialer Schlafplatz. Am Abend kommt der Besitzer und will natürlich wissen wer wir sind. Wir hatten schon die Befürchtung, dass er uns verjagen will, wo wir doch ungefragt und frech wie wir sind, uns einfach breit gemacht hatten. Das Gegenteil ist allerdings der Fall. Der Verwalter der Teeplantage und sein Buchhalter, sowie deren Ehefrauen interessieren sich für unsere Geschichte und laden uns in ihr Haus ein. Wir sind platt. So ein riesiges Haus hatten wir schon lange nicht mehr von innen gesehen. Nach einem netten Abend lehnen wir es ab in einem ihrer Gästezimmer zuschlafen, wir ziehen unseren gemütlichen Bus vor. Am nächsten Morgen fahren wir nach einer ausgiebigen Dusche im nagelneuen Badezimmer und einem gemeinsamen Frühstück weiter.
Unsere nächste Station soll das 1700 km entfernte Kolkata (ehemals Kalkutta) sein. Für die Fahrt dorthin rechnen wir eine Woche ein. Eines Mittags sitzen wir in einem Hotel an der Straße zum Essen als ein Bus mit lustig ausschauenden Leuten anhält. Wir ahnen, dass die mongolischen Gesichtszüge und die Morgenmantel ähnlichen Trachten wohl aus Buthan stammen müssen. Wir haben unsere Freude sie zu beobachten. Als wir dann beim Bezahlen auch noch buthanesisches Geld herausbekommen steht unser Abstecher zur indisch-buthanesischen Grenze fest. So nah werden wir wohl nie wieder an dieses verbotene Land, das lieber auf einen Glückseligkeitsindex als auf ein Bruttoinlandsprodukt wert legt, herankommen. Jeder Visatag kostet für Ausländer unglaubliche 250 US$. Zwei Tage bleiben wir im Grenzort, werfen verstohlene Blicke durch den Zaun auf die andere Seite und gehen auf Shoppingtour. Die Produkte sind im Vergleich zum restlichen Indien spotbillig.
Die Fahrt geht weiter Richtung Kolkata, über den Brahmaputra, an dem gerade Flussdelfine aus dem Wasser springen und dem mächtigen Mutter Ganga. Nach unendlich wirkender Fahrt auf einspuriger Straße kommen wir der 18-Millionenstadt Kolkata entgegen. Dank GPS kommen wir gut durch den Verkehr. Plötzlich passiert es: ein kleiner LKW, der die Größe unseres Busses hat will uns im stockenden Verkehr überholen, hat natürlich aufgrund des ständigen Gegenverkehr nicht die Möglichkeit an uns vorbeizuziehen und will dann ganz selbstverständlich uns von der Straße abdrängen, damit er nicht über den Haufen gefahren wird. Was für uns ein absolut dummes und unlogisches Verhalten ist, ist für den verkehrsteilnehmenden Inder gang und gäbe. Wir haben keine Lust kleinbeizugeben und bleiben auf unserer Spur. Daraufhin rammt der Fahrer uns. Wir halten und wollen ihn zur Rechenschaft ziehen. Wie dumm wir doch sind: was in Deutschland sofort der Polizei gemeldet wird, ist hier ein Kavaliersdelikt. Der Fahrer haut einfach ab, bekommt es aber mit der Angst zu tun, als Janus ihm einige Meter hinterher rennt. Wir sind empört, begutachten die Kratzer auf der Seite und berichten später anderen Indern davon. Die sind total überrascht, dass dies unser erster Unfall in Indien ist und beglückwünschen Janus zu seinen Fahrkünsten. Sie hätten wöchentlich eine neue Beule oder Schramme.
Die Parkplatz- bzw. Zimmersuche in der Touristengegend um die Sudder Street stellt sich als schwieriger heraus als gedacht. Es gibt nur wenige Budgethotels mit Parkplatz und diese waren entweder ausgebucht oder ihnen war unser Bus einfach zu groß. Wir brauchen letztendlich einen ganzen Tag, um einen Parkplatz 800m weiter vom unserem Gästehaus in einer Garage zu finden. Zwei Wochen wollen wir hier bleiben, eine Pause vom Fahren haben wir bitternötig. Und trotzdem ist nicht an Erholung zu denken, wir müssen unseren zweiten Teil der Reise planen, Visas organisieren, ein neues Carnet beantragen, Ersatzteile bestellen, Reiseführer kaufen usw.









Kalkutta ist wohl die verrückteste Großstadt Indiens. So nah haben wir Reich und Arm nie beisammen gesehen. Es ist schon erschreckend wie viele Bettler, die ihr zu Hause auf einem Karton auf dem Bürgersteig haben, auf den Straßen zu sehen sind. Gewaschen wird sich an den öffentlichen Brunnen am Straßenrand, der Haufen wird in der Nacht auf den Bürgersteig gesetzt und uriniert wird sowieso überall. So leid sie uns auch tun, geben wir keine Almosen, denn zu oft sind Gauner unter den Bettlern. So wissen wir mittlerweile, dass die „jungen Mütter“ die Babys oft nur mieten und sobald ein Reicher in der Nähe ist wird dem kleinem Wurm auf dem Arm ins Bein gepetzt, damit es nochmal extra laut aufschreit. Dann will die Bettlerin natürlich kein Geld für sich, sondern so gut wie so doch ist nur Milchpulver für ihr Baby haben. Sobald man ihr dies dann gekauft hat und weitergeht dreht diese sich um, geht zurück ins Geschäft, gibt das Milchpulver zurück und macht halb/halb mit dem Ladenbesitzer. Dies sehen wir auch oft bei Kindern, die einen auffordern doch einem ein Englisch-Wörterbuch zu kaufen. Da denkt der ahnungslose Tourist, er hat etwas Gutes zu deren Bildung beigesteuert und wird dann so hereingelegt. Auch sehen wir eine alte Frau, die offentsichtlich den einen Tag an einer fürchterlichen Zitterkrankheit leidet und am nächsten Tag seelenruhig am Straßenrand sitzt und oh Wunder wohl plötzlich geheilt ist.
Viel erschreckender finden wir aber die Selbstverständlichkeit der Armut. Wir fragen uns, wie eine Nation mit rasant wachsendem Wirtschaftswachstum Menschen im Dreck verhungern lassen kann. Angemerkt sei, dass Indien nicht in der Sahelzone liegt und es hier Essen in Hülle und Fülle gibt. Verwundert sind wir auch über die westlich orientierten Neureichen Indiens. Macht es ihnen nicht aus, dass es in der halben Stadt nach Urin stinkt, überall Müll rumliegt, Menschen neben ihnen am Straßenrand Hunger leiden und man aufpassen muss nicht in Scheiße zu treten.
Mittlerweile gibt es in der Stadt ein allgemeines öffentliches Urinierverbot, bei Missachtung werden 200 Rupie (ca. 3,20 Euro) fällig. Dies interessiert hier aber niemanden und es wird nach wie vor munter weitergepinkelt.
Angesichts dieser Bilder sind wir froh im zivilisiertem Europa geboren zu sein. Dankbar für all die ganzen Versicherungspflichten und manchmal unlogisch klingenden Gesetze.
In Kalkutta bekommen wir unseren ersten schlimmen Indien-Durchfall. Als Ursache könnte eigentlich alles in Betracht kommen, hier der Lassi mit Eiswürfeln, da das kalte Curry am Straßenrand oder das verschmutze Cayglas im Laden um die Ecke. Vier ganze Tage liegen wir mit Krämpfen im Zimmer, rennen ständig aufs Gemeinschaftsklo, das chronisch besetzt ist (den anderen Gästehausbewohnern geht es wohl genauso wie uns) und freuen uns sobald die Konsitenz mal wieder fester wie Wasser ist. Jeder anbahnende Furz kann als Desaster in der Hose enden und so ist Vorsicht geboten. Durch Zufall knüpfen wir Kontakt mit einem Klopapierhersteller aus der Stadt und ordern zum Einkaufspreis 12 Rollen. Dazu muss gesagt werden, dass eine indische Klopapierrolle nur im Einzelpack zu kaufen ist, dafür aber bei der Deluxe-Variante ca. doppelt soviel aufgerollt ist, im Vergleich zu einer deutschen Rolle. Dafür kostet eine Rolle im Supermarkt auch stolze 90 Cent. Wir bekamen sie allerdings für 30 Cent das Stück. Na dann kann der nächste Durchfall ja kommen.
Kalkutta ist die letzte indische Stadt in der Rikshas noch von Hand gezogen werden. Ein komisches Bild, wenn eine gut genährte indische Frau mit all ihren Einkaufstüten sich von einem abgemagerten Läufer durch die überfüllten und verschmutzten Straßen nach Hause ziehen lässt. Oft laufen sie barfüssig, haben nur ein einziges Gewand und schlafen in der Nacht unter der angemieteten Riksha. Ein großer Streit ist um diese Berufsgruppe entfacht, die Stadtverwaltung will sie verbieten, aber sie protestieren. Trotz diesem menschenunwürdigen Beruf sind sie froh ein paar Rupies zu verdienen und zu überleben. Was sollten sie statt dessen auch tun. Lesen und Schreiben haben sie nie gerlernt. Wir bringen es nicht übers Herz uns von ihnen ziehen zu lassen und fahren daher mit der Fahrradriksha durch die Stadt oder gehen wie so oft zu Fuß.
Wer bei unserer diesmal gewählten Überschrift einen kurzen Herzstich bekommen hat und denkt, dass wir unseren Braunen den Abhang runter gerollt, verschrottet oder nach Hause verschifft haben, der irrt sich. Und trotzdem haben wir Abschied von unserem Braunen, so wie wir ihn kennen, genommen. Denn durch unseren Gästehausbetreiber lernten wir Satish, einen Autowerkstatt- und Tankstellenbesitzer kennen. Bei ihm parkten wir unseren Braunen sicher in einer Garage. Als wir an einem Tag nach dem Rechten sehen, bietet er uns an unseren Bus bei ihm in der Werkstatt neu lackieren zu lassen. Wir sind sofort damit einverstanden. Da wir den Bus sowieso auf dem Nachhauseweg wegen zahlreicher Roststellen und dem in der Heimat angestrebeten H-Kennzeichen umlackieren wollten, kam dieses Angebot genau richtig. Wir machten uns also an die Arbeit: schraubten nicht nur alle Außenteile ab, sondern auch alle Möbel im Inneren, da sich Rost auch auf der Innenseite gebildet hatte. So wurde unser Kalkuttaaufenthalt noch einmal um zwei weitere Wochen verlängert.
Während sich die Arbeiter ans Werk machten wurden wir von Satish und seinem Freund Sajed ununterbrochen zum Lassi, Essen und Bier eingeladen.
Gerne wollten wir uns bei unseren neuen Freunden bedanken. Da wir den beiden Halbreichen mit irgendetwas Gekauftem keine Freude machen konnten, wollten wir für sie kochen. So kauften wir auf dem Markt alle Zutaten für eine Lasange und einen Salat und fuhren zu einem Bekannten, der angeblichen einen Backofen besitzt. Indische Küchen haben keine Backöfen, so wie wir sie von zu Hause kennen und so waren wir einverstanden, wegen eines Backofens, durch die halbe Stadt zu fahren. Als wir dort ankamen traf uns der Schlag, Nebu-Da, der seine Küche zur Verfügung stellte, hatte nur einen Mirkowellenherd. Und seine besagte Auflaufform war aus Plastik. Na bravo, wir begannen trotzdem zu kochen und waren hoch überrascht was ein indischer TATA-Mikrowellenherd so alles kann. Die Lasagne war gelungen und unsere indischen Freunde angetan, verputzten alles und wollten, dass wir ab sofort ständig für sie kochten.
Kalkutta hatte neben einem tollen Gästehaus und einer Autowerkstatt natürlich noch viel mehr zu bieten. Man konnte vor allem die zahlreichen Hinterlassenschafften der Engländer bestaunen. Neben prachtvollen Bauten und Gärten gab es auch die ganz normalen Wohnhäuser, die zum Teil tolle alte Villen waren. Wir wunderten uns warum diese wunderschönen Häuser so verfallen und ungepflegt sind, wurden aber dann von Einheimischen aufgeklärt. Die Mietverträge der Wohnungen sind zum Teil schon Hundert Jahre alt und können so lange nicht geändert werden, bis die Familie auszieht. Ein Familienoberhaupt kann seinen Mietvertrag immer an einen seiner Söhne weitergeben und so ist es nicht selten, dass für eine 3-Zimmer-Wohnung im Stadtzentrum nur umgerechnet 5 Euro Miete bezahlt werden, da dies eben die Miethöhe von beispielsweise 1920 war. Verständlich, dass ein Hauseigentümer mit diesen wenigen Rupies nichts bewerkstelligen kann.
Nach zwei Wochen Arbeit an unserem Bus, war es vollbracht: wir hatten nun einen grünen Bus. Im Inneren hatten wir die Verkleidung und den Boden erneuert, die Sitzbank, Matratze und die Küchenkiste neu bezogen sowie die Schränke zum Teil modifiziert. Es wurde ausgemistet, Sachen verschenkt und neu organisiert. Eben als würde man in eine neue Wohnung ziehen. Wir überlegten lange hin und her: sollte unser Brauner, da er ja jetzt nicht mehr braun war, umgetauft werden? Bekommt man zu Hause denn einen neuen Namen, nur weil man beim Frisör war? Nein, Brauner bleibt Brauner, auch wenn nur noch Insider wissen werden, warum er so heißt.
Gut gelaunt und mit frischer Reiselust machten wir uns auf den 2600 km langen Weg nach Goa, wo Kerstin und Rudi schon auf uns warteten und wo auch wir auf Janus´ Schwester Dominika treffen wollen.









Nach fünf langen Wochen in Kalkutta waren wir froh endlich wieder on the road zu sein. Unseren neuen Bus zu genießen und wieder Natur zu sehen. Wir überlegten lange hin & her welche Route wir in den Süden nehmen sollten. Autokarten waren veraltet und Inder konnten uns auch nicht wirklich weiter helfen. So entschieden wir uns für die Landesinneren-Route, auch wenn die Temperaturen dort bereits bei 40 Grad lagen und es sich wohl um eine einspurige Straße handeln sollte. Wir wurden mal wieder von Indien überrascht. Außer ein paar wenigen hundert Kilometern auf der Landstraße fuhren wir auf einer nagelneuen Autobahn. Für die Umgehung der Mautgebühr probierten wir diesmal mehrere Ausreden aus: da wir ja jetzt einen grünen Bus hatten klappte vor allem die „VIP – National Geographics“ Aussage mit unterstützendem vorgehalten Pass. Ab und zu benutzen wir auch unsere alt bewährte „Diplomatic“ Ausrede. Bei ca. 20 Mautstationen wurden wir ohne Nachfragen durchgewunken, ja sogar einmal zusammengeschissen, warum wir nicht in die VIP-Line gefahren sind. Bei einer der vielen Stellen gaben wir vor Botschaftsangestellte zu sein und sie sollten uns doch bitte durchlassen. Doch so einfach war es diesmal nicht. Der Manager kam aus seinem Büro und erklärte uns, dass laut seiner Vorschrift nur der Botschafter persönlich ohne zu zahlen passieren dürfte. Nach 20-minütiger Diskussion tat uns der mittlerweile stark nervöse und zitternde Manager leid und wir bezahlten die 80 Cent...
Bevor es für uns nach Goa ging legten wir noch einen Zwischenstopp in Hampi ein. Ein Dörfchen mit alten Tempeln, bizarren Felsformationen und stehender Hitze. Unser erstes Highlight in Hampi war allerdings ein T 4 mit holländischem Kennzeichen, der auf dem Busbahnhof parkte. Wir stellten uns daneben, begutachteten den Bus und endeckten einen „VW-Club of Pakistan“-Aufkleber, ja wohl Verbündete aus der Islamabad Autoschmiede von Moqeem. Als Maud & Martyn dann vom Abendessen zurückkamen bestätigte sich die Verbundenheit zu Pakistan und wir quatschen die halbe Nacht. Seit Nepal unsere ersten Overlander.
Zwei Tage später fuhren wir vom windstillen Hampi weiter zum windverwöhnten Strand von Agonda in Goa. In Goa ist es leider so, dass fast alle Strandabschnitte voll bebaut sind und es keinen ruhigen Platz mehr zum wild campieren gibt. Außer in Agonda: am Ende der Bucht kann man unter wiegenden Kokosnusspalmen direkt am Meer stehen. Wohl der schönste Stellplatz in Indien. Als wir ankamen trauten wir unseren Augen nicht, da stand schon wieder ein VW-Bus. Diesmal ein T 3 von Sylvie & Max aus Frankreich, die beide ihre Jobs in Toulouse aufgegeben hatten und nun ohne Zeitplan umherreisen. Am nächsten Tag kamen dann auch noch unsere bis dahin längsten Reisepartner Kerstin & Rudi dazu und das Overlander-Camp war perfekt. Oft stehen an diesem Strand bis zu 20 Fahrzeuge und es wird sich um die Palmenplätze gezankt. Dieses Problem hatten wir nicht. Das Gelände war ursprünglich für ein 5-Sterne Hotel vorgesehen, dass allerdings nie fertig gebaut wurde. Nun bewachen einige Wachmänner das Gelände und verlangen 40Rs am Tag, sozusagen Bakschisch. Wir weigerten uns zu zahlen und nach drei Tagen tauchte der Wachmann einfach nicht mehr auf. Geduscht wurde sich an einem Brunnen 300m weiter im Wäldchen. Mit Eimer und Seil wurde das Duschwasser nach oben befördert und übergekippt. Als Toilette diente einer der zahlreichen Büsche. Kaum hatte man sein Geschäft verrichtet kam auch schon eine der Dorfklosäue an und verspeiste was wir gerade hinter lassen hatten. Wir schwörten uns nie wieder Schweinefleisch in Indien zu essen und konnten die Abneigung der Moslems gegen dieses Fleisch nun besser verstehen. Außer faulenzen, Bücher lesen und Grillabende oragnisieren hatten wir auch noch eine wirkliche Aufgabe zu bewältigen. Wir brauchten dringend Gas. Bereits in Kolkata und in Hyderabad versuchten wir unsere deutsche Gasflasche aufzufüllen. Und trotz eines gedrechselten Adapters von deutsche auf indische Flaschen wurde uns nicht weitergeholfen. Selbst bei einem riesigen Werk von Indian Oil wurden wir nach zwei Stunden Gebettel abgewiesen. Grund: eine ausländische Flasche dürfe nicht auf das Gelände gebracht werden, es bestehe die Gefahr eines Terroranschlags. In Margao versuchten wir erneut unser Glück bei einer bei Overlandern bekannten Adresse. Wieder nichts. Wir wollten gerade wegfahren als wir auf einen netten Mann von HP Gas trafen, der uns in einer nicht ganz konventionellen Art weiterhelfen wollte. Eine indische Gasflasche wird zum Befüllen auf den Kopf gestellt und aufgehängt, mit einem Schlauch an die deutsche Gasflasche angeschlossen und so wandert das flüssige Gas dank Schwerkraft in die niedrigere Flasche. Dabei besteht absolute Explosionsgefahr, aber naja, der Mann sah nicht gerade aus als würde er dies zum ersten Mal tun. Nach 30 Minuten war unser Gasproblem gelöst und wir konnten glücklich weiterkochen. Am gleichen Tag kam auch noch Janus´ Schwester Dominika an, die unsere erste Heimatbesucherin seit unserer Hochzeit in Istanbul war. Neben vielen wichtigen Ersatzteilen für unseren Braunen, brachte sie auch noch selbstgebackenes Brot von Vadder Guido, Salami, sechs verschiedene Sorten Käse, Balsamico-Essig und den neusten Dorftratsch aus Römerberg und Mannheim mit. Ab sofort hausten wir also zu dritt im Bus (Dominika schlief in unserem aufklappbaren Gästezimmer „unterm Dach“) und nutzen jeden cm² aus um es gemütlich zu haben. Unter Beobachtung zahlreicher Inder eröffnete die ehemalige Friseurin dann einen open air Salon und die Overlanderköpfe wurden endlich wieder profesionell geschnitten. Zusammen mit Kerstin & Rudi ging es dann weiter zum wohl schönsten Strand Goas. In Cabo de Rama gab es nichts, nur einen einsamen Strand, den gewohnten indischen Müll und Palmen so weit das Auge reicht. Auf der Klippe schlugen wir unser Nachlager auf, hatten einen schönen Abend trotz vergammelten Grillfleischs und genossen das Robinson-Feeling. Weiter ging es dann auf den Markt von Anjuna. Die Situation musste genutzt werden, dass Dominika nun die halbe Tasche leer hatte und so wurde haufenweise Souvenirs erstanden. Außer dem Markt gab es in Anjuna nichts was uns hielt, deswegen ging es sogleich weiter nach Arambol im nördlichen Goa. Der Strand war weitläufig und kaum besucht. Als wir eines Abends den Sonnenuntergang im Meer genossen sprangen unweit von uns Delfine aus dem Wasser. Das ist Goa!
Nach zwei erholsamen Tagen fuhren wir weiter, raus aus Goa, rein nach Maharaschtra. Dort gab es einen weiteren menschenleeren Strand der seinem Namen alle Ehre machte: Paradise Beach. Für die Nacht entschieden wir uns in einem Palmenhain zu campieren. Am nächsten Morgen wurden wir durch seltsame Geräusche geweckt. Wir waren mitten in die Kokosnussernte geraten und um den Bus regnete es massenweise Kokosnüsse. Die älteren Männer kletterten wie kleine Äffchen ohne Probleme mit einem Seil zwischen den Füßen ratz fatz die Palme hoch, schlugen mit ihrer Machete die Kokosnüsse ab und hangelt sich wir nach unten. Natürlich bekamen wir auch einige Kokosnüsse zum trinken ab; in einer jungen Kokosnuss befindet sich bis zu einem Liter erfrischendes Kokosnusswasser. Das wohl paradisischste Getränk überhaupt.
Nach zwei wunderschönen Wochen mit Dominika hieß es wieder Koffer packen und vor allem unsere Berge mit Souvenirs verstauen. Im Bus hatte sich in den letzten Monaten einiges angesammelt und wir zitterten, ob die fast 30 kg schwere Tasche und die drei Handgepäckstücke durchgingen. Wieder kein Problem, wir sind ja in Indien!









Unsere letzten Tage in Goa verbrachten wir noch einmal am Strand von Arambol. Der sonst so touristische Ort war von Tag zu Tag mehr ausgestorben, nur noch ein paar Skurilitäten wie selbsternannte Propheten, Steinebeschwörer und lebende Comicfiguren mit Spielzeugpistolen schlichen noch durch die heißen Gassen. Unser Aufenthalt im Arambol wurde unweigerlich um zehn Tage verlängert. Denn unsere Route nach Hause musste von Tag zu Tag verworfen werden. Plan Nummer 1 war: wir verschiffen unseren Bus nach Dubai und fahren über die arabische Halbinsel nach Europa. Schiff und Flüge waren schon klar gemacht und halbwegs bezahlbar. Durch den Ausbruch des Bürgerkriegs in Syrien wurde allerdings die Grenze dicht gemacht und unsere Route war so nicht machbar. Also Plan Nummer 2: wir fahren wieder über Pakistan und Iran nach Hause. Just in diesem Moment lesen wir von Bin Ladens Tod (sein Versteck hatten wir 2010 unwissentlich nur um wenige Meter verfehlt) und bekommen durch andere Reisende mit, dass die Ausstellung der pakistanischen Visas in den nächsten Monaten eingestellt werden. Super-Notfallplan Nummer 3: wir fahren noch einmal nach Nepal und warten dort bis sich die Situation in Syrien oder in Pakistan beruhigt hat. Zwischenzeitlich schickten wir allerdings einen Visaantrag zur pakistanischen Botschaft nach Berlin, einfach auf gut Glück. Trotz dass wir in Asien lernten auf etwas länger zu warten, stieg für uns die Spannung täglich, bis die erlösende Nachricht kam: wir haben ein Pakistan Visum.
Wir packten sofort unsere sieben Sachen, füllten dank der günstigen Preise in Goa unsere Alkoholvorräte auf und machten uns auf dem Weg Richtung Norden. Vorbei an Mumbai, hoch in den Bundesstaat Radjasthan. Drei Tage dauert die Fahrt auf teils traumhaften Straßen bis wir die alte Festung von Kumbalgarh erreichen. Die im 15. Jahrhundert erbaute Festung erkundeten wir in den kühleren Morgenstunden, danach ging es weiter durch das ländliche Radjasthan, das sich vor allem durch die farbenfrohe Bekleidung der Einheimischen vom restlichen Indien absetzt. Frauen tragen handgefertigte Armreife aus Kamelknochen, knallbunte Saris und Nasenringe. Die Männer dagegen tragen stolz ihren bis zu 9 Meter langen Turban und stellen ihren oft gezwirbelten Bart zur Schau. Die Farbe des Turbans zeigt entweder die Zugehörigkeit zu einer Kaste oder gibt eine derzeitige Befindlichkeit wieder. So werden bei Feierlichkeiten mehrfarbige Turbane und bei Trauer weiße, schwarze oder braune Turbane getragen. Angeblich sollen Träger von orangefarbenen Turbanen Gefängniserfahrung haben. Wir konnten allerdings bei der großen Anzahl dieser Turbanträger kaum glauben, dass so viele schon einsaßen und outeten dies als Touristengag.
Weiter ging die Fahrt zum Jaintempel in Ranakpur. Zwischendurch hielten wir an einigen Stauseen und erfrischten uns bei mittlerweile 42 Grad. Die Einheimischen waren entsetzt:
Inder: Man kann da nicht schwimmen, das ist gefährlich.
Wir: Ja wieso?
Inder: Im See kann man nicht stehen.
Wir: Ja und?
Inder: Wenn man da rein geht wird man in die Tiefe gezogen.
Wir: Kannst Du schwimmen?
Inder: Nein, könnt ihr das denn etwa, im tiefen Wasser schwimmen?
In Ranakpur stellten wir erfreut fest, dass der Tempel kein Eintirtt kostet, was recht unüblich in Indien ist. Das erstaunliche im Inneren des Tempels ist, dass sich keine der 1440 Säulen ähneln. Wir konnten es kaum glauben und suchten nach einem passenden Paar. Fehlanzeige, alles individuelle Handarbeit. Hut ab!
Am nächsten Tag machten wir uns auf Richtung Jaiselmer. Die Sandsteinstadt in der Wüste Thar kannten wir bereits von unserer letzten Reise. Schon damals waren wir schwer beeindruckt von so viel Sandstein und Flair. In Jaiselmer warteten bereits Kerstin & Rudi auf uns, die noch um ihr Pakistan-Visa kämpften. Zusammen erkundeten wir, vor allem in den Morgen- und Abendstunden die Stadt. An einem Abend lernten wir Helmut aus Österreich kennen. Er ist seit 13 Jahren bereits in der Stadt, kümmert sich um Waisenkinder, die Erhaltung der alten Sufilieder und fördert Schulen. Nebenbei betreibt er auch ein kleines Hotel mit vorwiegend österreichischen Speisen. Nach über einem Jahr gibt es für uns mal wieder Gulasch, Spätzle, Braten und Knödel. Helmut, der schon viel durch die Welt gekommen ist, erheitert uns mit seinen Geschichten und philosophischen Fragen.
Bei Helmut und seinen aufgenommenen Kindern hatten wir endlich einen guten Platz gefunden, um unsere Fahrräder abzuschnallen und zu spenden. Sogleich kamen die Kinder aus dem Viertel gelaufen und ließen die beiden Räder keine Minute mehr stehen.
Nach einigen Tagen in Jaiselmer hielten wir die Hitze nicht mehr aus und fuhren in den Norden nach Amritsar. Auf dem Weg dorthin schlugen wir unser Nachtlager am Fluß Beas im Punjab auf. Als wir gerade bei der abendlichen Kanisterdusche vorm Bus standen zog urplötzlich ein Sandsturm auf. So etwas hatten wir noch nie erlebt: innerhalb weniger Sekunden wurde es stockdunkel, man konnte kaum die Hand vor den Augen sehen. Schnell retteten wir uns in den Bus und warteten bis das Spektakel an uns vorbeigezogen war. Dann konnten wir endlich den Sand, der überall an uns klebte abspülen.
Am nächsten Tag erreichten wir Amritsar, unsere letzte Station vor Pakistan. Hier warteten wir auf unsere Pässe, die zu Hause noch bei der iranischen Botschaft lagen.
Amritsar wurde für uns das Sinnbild unserer Indienreise. Alles was uns in den letzten fünf Monaten geärgert und erfreut hat erlebten wir hier noch einmal. Da ist zum einen der unglaubliche Lärmpegel, der uns fast um den Verstand bringt. Ohne Ohropax gehen wir nicht mehr vor die Tür, ja sogar im Zimmer müssen wir sie tragen, da die Eisenbahnlinie direkt an unserem Zimmer vorbei führt. Das ständige Gehupe, Menschen die lauthals ihre Waren anpreißen (sobald ein Weißer vorbei läuft wird natürlich doppelt so laut geschriien) und Rikshaws, die uns vor die Füße fahren, weil sie dadurch erhoffen, dass wir in ihr Gefährt einsteigen, bringt uns zur Weißglut. Dann die ganzen gaffenden Menschen. Dass wir auffallen kennen wir ja aus anderen Ländern, aber nie wurden wir so unverfrorren angestarrt. Menschen bleiben einen Meter vor uns stehen und begutachten uns von Kopf bis Fuß, sagen irgendetwas zu ihrem Nebenmann und lachen dann. Da reisen wir um die halbe Welt, um dann so bloß gestellt zu werden. Nein Danke. Auf der anderen Seite lernen wir auch nette und gebildete Inder kennen. Sie laden uns zu einem Chai ein und heißen uns in ihrem Land willkommen. Leider ist das Verhältnis von gaffenden zu netten Indern 1000:1.
Ob wir jemals wieder die Muße haben werden dieses Land zu bereisen bleibt fraglich. Jetzt geht es erst mal zurück nach Pakistan, auf das wir uns riesig freuen.
Kleine Indien-Statstik:
Reisetage: 147 (davon 67 bezahlte Übernachtungsplätze)
Gefahrene Kilometer: 13.725 km
Ausgaben: 10 € pro Person & Tag
Unfälle: im Nordosten fährt uns ein Motorrad auf unserer Spur entgegen, beim Ausweichen kommt der Fahrer zu Fall – Ergebnis: er steht auf und fährt ohne sich umzudrehen weiter; in Mizoram fahren wir nach mehrmaligen fehlgeschlagenen Versuchen im hohen Tempo rückwärts einen Abhang hoch, wir freuen uns gerade, dass der Braune es geschafft hat, fahren über die Straße hinaus fast in einen Graben rein – Ergebnis: der Bus hängt mit dem linken Hinterrad über dem Graben während er vorne rechts 80 cm hoch steht, wir verharren einige Minuten so, Janus mit beiden Füßen auf der Bremse, Ursel zur Beschwerung vorne rechts auf der Stoßstange, dank Hilfe zahlreicher Einheimischer die zufällig des Weges kamen und uns von hinten anschoben sind wir nur mit dem Schrecken davon gekommen; in Kolkata fährt uns ein Transporter in die Seite – Ergebnis: Kratzer & Delle;
Krankheiten: Durchfall, Durchfall, Durchfall.... (bei beiden), Fuß angeschlagen, Zehnagel ab (Ursel)
Busprobleme: ca. 20 Roststellen – Rost entfernt, zum Teil neue Bleche eingeschweisst und neu lackiert; Motoraufhängung verschlissen – erneuert; Auspuffaufhängung verschlissen und ca. 30 x notdürftig repariert – erneuert; Antenne kaputt – erneuert; Zahnriemen angerissen – erneuert; Spannrolle erneuert; Dichtung der Motorentfüftung angerissen – provisorisch abgedichtet & dann erneuert; Ansaugschlauch Turbo angerissen – provisorisch mit einer aufgeschnittenen Coladose abgedichtet; Kühlwassergeber durchgerostet – mit 2 Komponentenkit abgedichtet; Querstange des Aufstelldachs an den Schanieren durchgewetzt – geschweisst; hoher Ölverlust – Ursache noch unklar; Probleme beim Anspringen – Förderbeginn zurückgestellt; Kaltstartzug hing fest – großzügig mit WD40 an der Einspritzpumpe eingesprüht; nachgerüstet: Voltmeter für beide Batterien in der Küche angebracht; ca. 40mm neue Isolierung auf die Karroserie von innen verklebt; Boden isoliert sowie neuen Bodenbelag verlegt; Innenraumverkleidung z.T. ausgetauscht und neu gestrichen;
Highlights: goldener Tempel von Amritsar; schönster Overlander-Stellplatz in Agonda; umhergrasende Nashörner am Kaziranga-Nationalpark; Wurzelbrücken und Abenteuerfeeling in Cherrapungee; bunt – bunter – ländliches Radjasthan;









Pakistan ( Juni bis August)
Mit vier Pässen und zwei Carnet de Passages in den Händen ging es diesmal zur indisch-pakistanischen Grenze, was sehr zur Verwirrung der Beamten beitrug. In zwei der Pässen hatten wir unser derzeitiges Indienvisum und in den anderen beiden das neue Pakistanvisum. Unser Carnet Nr. 1 hatte genau am Tag des Grenzübertritts seinen letzten Gültigkeitstag und das Carnet Nr. 2 lief bereits seit einem Monat. Hin & Her mussten wir das wieso, weshalb, warum beantworten und wurden dann zu den Pakistaner rübergeschickt. Denen wurde bei unserer Erklärung so schwindelig, dass sie uns fragten was sie denn nun auszufüllen bzw. abzustempeln hätten. Beim obligatorischen Check unseres Fahrzeuges konnten wir wahrheitsgemäß die Frage: „Haben sie Wein im Auto?“ verneinen, nach unserem goanischen Bier & Rum wurde ja nicht gefragt. Sie ließen uns problemlos weiterfahren. Nun waren wir also wieder in Pakistan, geografisch gesehen auf dem Nachhauseweg.
Spannend war es für uns, mal von Indien einzureisen und die Grenze mal aus einem anderen Blickwinkel zu sehen. Der Untschied zwischen den beiden Ländern war deutlich spürbar. Herumstehende, gaffende Inder wurden durch winkende, lachende Pakistaner ausgetauscht. Kaum zu glauben, dass diese beiden Länder einmal zusammen gehörten.
In der Heimat war man besorgt, dass wir uns hier wieder über zwei Monate aufhalten wollten. Den Berichten der westlichen Medien zufolge war ganz Pakistan in Talibanhänden. Komisch nur, dass wir auf keine trafen. Stattdessen wurden wir mal wieder von der muslimischen Gastfreundschaft & Freundlichkeit überwältigt. Überall wurde uns zugewunken, Willkommensrufe übertönte diese des Muzzeins und den vielen Teeeinladungen kamen wir gar nicht nach. Wir fühlten uns absolut sicher und warmherzig aufgenommen.
Unsere erste Etappe führte uns gleich zu unserem Freund Moqeem in Rawalpindi, der Nachbarstadt der Hauptstadt Islamabad. Hatten wir doch einiges im letzten Jahr am Braunen richten lassen, blieb jetzt nur noch der schwierigste und wichtigste Teil: der Motor. Wir verbrauchten seit ca. drei Monaten zwei Liter Öl auf 1000 km. Beim Ausrechnen der Kosten für Motoröl bis in die Pfalz kamen wir auf eine so hohe Summe, dass wir ums reparieren nicht rumkamen. Diesmal sollten sich allerdings nicht die Mechaniker ans Werk machen, sondern Janus selbst. Die pakistanischen Arbeiter kosten zwar fast nichts und man kann mit ihnen zufrieden sein, allerdings vergessen sie manchmal eine Schraube richtig anzuziehen.
Lange Rede, kurzer Sinn: innerhalb von fünf Tagen bauten wir zusammen mit Moqeem den Motor aus, ließen den Motorblock aufbohren, Hülsen einsetzen, ersetzten Kolbenringe, Lagerschalen & sonstiges Kleinzeug am Motor und bauten das gute Stück wieder zusammen. Die Spannung stieg auf den Höhepunkt als Moqeem am Ende des vierten Tages verkündete: „Start the engine!“ Unter Beobachtung zahlreicher Mechaniker sprang der Motor problemlos an. Es wurde gejubelt, Janus eifrig auf die Schulter geklopft und mit einer 7up angestoßen. Als alle Arbeiten abgeschlossen waren entführten uns Moqeem und sein Sohn Shakeel in ein Nobelrestaurant. Nicht dass sie uns schon genug geholfen hätten, durften wir nicht einmal die Rechnung übernehmen. Zur Vorspeise gab es Schafshirn-Masala mit Fladenbrot, gefolgt von Gewürzreis mit Hähnchen und abgeschlossen von einem riesigen Steak auf einer heißen Platte. Am Ende verkündeten sie uns noch, dass wir beim sonntägigem VW-Club-Treffen die Ehrengäste seien.
Für das drei Tage später stattfindende Treffen bereiteten wir uns auf dem Campingplatz in Islamabad vor. Dort trafen wir wieder einmal auf Kerstin & Rudi (die ihren sechswöchigen Pakistanvisumskampf in Delhi gewonnen hatten) sowie auf die Schweizer Lilian & Jan, die mit ihrem 8-Monate altem Baby Lola in ihrem Land Rover auf dem Weg nach Australien sind. Der Braune wurde geschrubbt & auf Hochglanz poliert, aufgeräumt und letzte Sachen montiert. Im Konvoi ging es dann durch Rawalpindi zum Jinnah-Park. Dort hatten sich insgesamt 25 VWs versammelt, hauptsächlich Käfer. Moqeem hatte den schönsten Käfer und wir den einzigsten Bus. Nach einem Fotoshooting und Besichtung aller Fahrzeuge ging es dann in eine moderne Pizzeria, wo wir natürlich wieder eingeladen waren.
Zwei Tage später begaben wir uns auf eine mehrwöchige Probefahrt in den Norden Pakistans. Auf dem Weg dorthin machten wir Halt im pakistanischem Schwarzwald. Wir waren gerade im Örtchen Nathiagali zu Fuß auf Stellplatzsuche, als wir uns beim Anblick der ganzen Villen dachten, dass uns jetzt doch mal ein gebildeter Pakistani einladen könnte. Kaum hatten wir den Gedanken zu Ende gedacht wurden wir von einem älteren Paar angesprochen. Bei Rashida (die in Berlin geboren wurde und fließend deutsch spricht) und ihrem Mann Selim wurden wir herzlich aufgenommen. Janus revanchierte sich für die Einladung mit ein paar einfachen Handwerkerarbeiten im Haus und bald darauf ging es weiter durch die Bin Laden-Stadt Abbottabad zurück auf den Karakoram Highway. Was letztes Jahr durch die Unwetter eine einzige Abteuerfahrt war, hatte dieses Jahr mehr einen Fun-Charakter. Gemütlich ging es auf der Schotterpiste gen Norden bis wir nach zwei Tagen in Gilgit ankamen.
Dort trafen wir noch einmal auf Lili, Jan und Lola, die auf ein Ersatzteil für ihren „Nanuk“ warteten. Nach zwei Tagen Erholung ging es weiter nach Karimabad, genauer gesagt ins drüber liegende Duikar. Auf dem Weg dorthin fuhren wir in einen großen Stein, so dass ein Querträger des Rahmens schwer eingedrückt wurde und dabei unser Reserverad aus der Verankerung gerissen wurde. Wir blockierten dabei den KKH. Entgegenkommende LKW-Fahrer hielten an, sprangen aus ihrer Kabine und machten sich nach einem kurzen Asalam Aleikum ohne zu fragen ans reparieren. Nach zehn Minuten hatten sie das Problem behoben und wir konnten nach einem herzlichen Dankeschön weiterfahren.
In den Bergen zu sein und nicht zu wandern ist für uns wie am Meer sein ohne reinzuspringen. Also packten wir unsere sieben Sachen zusammen und machten uns genauso wie im Jahr zuvor auf den Rush Phari Trek. Dieses Mal wollten wir allerdings den richtigen Weg finden und am See ankommen. Die ersten beiden Gletscherüberquerungen schafften wir wieder mit voller Konzentration und ohne Zwischenfälle, dann ging es ins trockene Valley am Bultar Gletscher entlang. Laut Beschreibung sollte der Weg an zwei großen Felsen steil links nach oben führen. Na toll, man suche mal zwei große Felsen in einem Felsenmeer... Wir wollten gerade am Tag 2 aufgeben und eine andere Route wandern als wir auf die Felsen stießen. Dahinter ging tatsächlich unscheinbar der Weg nach oben. Nach vier Stunden hatten wir die 1200 Höhenmeter hinter uns und erreichten erschöpft unser Lager auf 4500m bei den Steinhütten von Chidin Harai. Leider war es unvermeidbar weniger Höhenmeter aufzusteigen, da keine Wasserstelle dazwischen lag und so war es nur eine Frage der Zeit bis bei uns die Kopfschmerzen, das erste Anzeichen der Höhenkrankheit, auftraten. Nachdem sich Ursel übergeben und literweise Wasser in sich reingeschüttet hatte, ging es besser und wir wollten nicht absteigen. Am nächsten Morgen ging es uns ein wenig besser und wir liefen die letzten Kilometer zum See auf 4800m, von man bei schönem Wetter den K2 erblicken kann. Leider zogen Wolken auf und Ursel´s Wohlbefinden verschlechterte sich wieder, so dass wir beschlossen soweit abzusteigen bis sich der Zustand wieder verbesserte. Auf 4000m setzte plötzlich ein so starker Sturm auf, dass wir uns auf den Boden werfen mussten, um nicht vom Berg runtergeweht zu werden. Wir retteten uns in eine einigermaßen windgeschützte Mulde und beratschlagten uns: Zelt aufschlagen mit nur 5 Litern und die Höhenkrankheit eine weitere Nacht ertragen oder den steilen Berg absteigen und riskieren beim Sturm abzustürtzen. Wir wollten gerade ungern unser Zelt aufschlagen als das Wetter sich ein wenig besserte. Wir nutzen die Gunst der Stunde, packten wieder alles zusammen und kamen zwei Stunden später und einem flotten Abstieg heil bei den beiden Felsen wieder an.
Am nächsten Tag ging es dann wieder zurück zum Örtchen Hoper. Nur noch ein Gletscher trennte uns von unserem Bus. Trotz höchster Konzentration passierte es: wir verloren den Weg und irrten auf dem Gleschter herum. Zum Teil mussten wir über spiegelglatte, schmale Stellen laufen, immer mit der Gefahr in eine Gletscherspalte zu fallen. Nach drei Stunden hatten wir den Gletscher bezwungen und erreichten mit noch zittrigen Knien unser grünes zu Hause.
Nach einer Nacht in Hoper fuhren wir am nächsten Tag zurück in die Zivilisation in Karimabad, wo wir Ursels Geburtstag mit Kerstin, Rudi, Lilian, Jan und Lola verbrachten.









Nach ein paar erholsamen Tagen in Karimabad ging es für uns zurück nach Gilgit. Auf dem Weg dorthin leisteten wir zum ersten Mal den Motorrädern von Kerstin & Rudi, die einen Tag vor uns gestartet waren, Pannenhilfe. Die Nadel des Vergasers war abgebrochen und wir bastelten zu viert auf dem KKH eine Neue. Gemeinsam ging die Fahrt dann weiter. Im Gästehaus in Gilgit trafen wir wieder einmal auf die alleinreisende Motorradfahrerin Danielle aus Neuseeland, auf das spanische Pärchen Raquel & Cesc, die mit einer Hondo Africa Twins auf dem Weg nach Südamerika sind sowie auf Stephen aus Australien, der von Bacelona nach Delhi radelt. Während die Spanier weiter nach Islamabad fuhren taten wir anderen uns mit drei weiteren Pakistanern zusammen und fuhren gemeinsam zum Polofestival auf dem Shandur Pass (3800m), dem höchsten Polofeld der Welt.
Wir verließen also mit vier Motorrädern, einem Begleitfahrzeug und unserem Braunen Gilgit in Richtung Westen. Nun waren wir nicht nur am, sondern im Hindukush. Auf dem Weg zum Pass legten wir an zwei Orten eine Übernachtungspause ein, um zu fischen, quatschen und faul in der Sonne liegen. Die Straße war bis 40 km vor dem Pass asphaltiert, danach ging sie über in eine Schotterpiste, immer stetig bergauf. Die Auffahrt zum Pass war allerdings nicht so schwierig wie gedacht und unser Brauner kam ohne große Probleme auf 3800m an. Dort schlugen wir unser Lager an einem See, ca. einem Kilometer vom Spielfeld selbst auf. Gleich zu Beginn ging es zum ersten Spiel zwischen den B-Mannschaften von Chitral und Gilgit. Das Besondere am Polofestival hier war, dass es erstens in einer beachtlichen Höhe stattfand, bei dem Mensch und Tier Probleme mit der Sauerstoffzufuhr hatten und zum zweiten gab es keine Regeln, Hauptsache der Ball kommt ins Tor, egal wie. So gingen zahlreiche Schläger zu Bruch, bei dem Versuch damit den Gegener am Hals zu packen oder auf seinen Schläger zu hauen. Ab und zu wurde ein Spieler vom anderen in den Schwitzkasten genommen oder sich versucht vom Pferd zu stoßen. Trotz dieser Art Freestyle-Polos blieb es friedlich und wir hatten auf dem VIP-Platz unseren Spaß.
Am nächsten Morgen stand dann das Finale der A-Mannschaften an. Es wurde wieder geboxt und gehauen, und am Ende hatte die Mannschaft von Gilgit mit 7:4 gewonnen. Innerhalb weniger Stunden brachen die 10.000 Besucher ihre Zelte ab und fuhren in einer einzigen Staubwolke zurück in ihre Städte. Auch Danielle, Stephen sowie die drei Pakistaner fuhren zurück nach Gilgit, während wir noch eine weitere kalte Nacht auf dem Pass mit Kerstin & Rudi verbrachten.
Am nächsten Morgen musste noch einer unserer derart schlechten Reifen zum x-mal geflickt werden, bevor wir von unseren längsten Reisegefährten Abschied nahmen. Ein Wiedersehen wird es wohl erst wieder in Europa geben. Für sie ging es zurück nach Gilgit und für uns weiter nach Chitral, das unweit der afghanischen Grenze liegt. Die Straße war in einem verdammt schlechten Zustand und wir waren froh am zweiten Fahrttag in Chitral anzukommen. Dort mussten wir uns im Büro für ausländische Regristrierungen melden und bekamen ab sofort einen Polizisten als Eskorte an unsere Seite gestellt. Da hatten sie wohl den ungeeignetesten überhaupt rausgesucht: einem 17-jährigen Pimpf trauten wir wohl wirklich nicht zu im Falle eines Überfalls uns zu verteidigen. Naja, 24 Stunden schlappte er hinter uns her bzw. lag vor unserem Hotelzimmer bevor er mit Bauchweh seinen Dienst quitierte und gegen einen älteren Polizisten ausgetauscht wurde. Mit diesem fuhren wir dann ins Kalash-Valley, das für seine einmaligen Einwohner und ihrer Kultur berühmt ist. Hierbei handelt es sich nicht um Moselms, sondern eine eigenständige Kultur, die an zwölf verschiedene Götter glaubt. Die Frauen sind die Hauptattraktion, da sie in selbst angefertigte Gewänder gehüllt sind und einen bunten Kopfschmuck tragen. Eine echte Attraktion im männerdominierten Pakistan. Lustig fanden wir auch die Mützen der Kinder im Valley, sie ähnelte einer gehäkelten Klopapierabdeckung einer Heckablage eines Autos in den 80zigern. Leider kommen aufgrund der Nähe zu Afghanistan nur noch sehr wenige Touristen hier her. Durch die Dörfer des Rumbur Valleys ging es zusammen mit einem Dorfpolizisten, der in unserem Sinne unbewaffnet war, alle Wege und vor allem alle Einwohner kannte. So war es kein Problem in die einfachen Steinbehausungen einen Blick zu werfen und die Einheimischen zu fotografieren. Sie freuten sich sehr über ausländischen Besuch und so wurden wir von Hütte zu Hütte eingeladen, hier zu einem Frühstück, dort zu einem Schnaps oder Tee. Nach einigen Tagen kannten wir alle Bewohner, hatten genug Fotos geknipst und konnten Richtung Süden aufbrechen. Im Städtchen Ayun ließen wir noch zwei unserer lädierten Reifen flicken. Der Reifenshopbesitzer war beim Anblick unserer Reifen überhaupt nicht überrascht, dass wir trotz null Profil sie noch reparieren ließen. Was in Deutschland schon seit Monaten nicht mehr befahrbar wäre, ist in Pakistan ganz anders: so lange das Gewebe nicht zu sehen ist handelt es sich um noch einwandfreie Reifen.
Unsere Eskorte ließen wir an der Hauptstraße aussteigen, allein ging es dann entlang der afghanischen Grenze zum 3120m hohen Lowari Pass. Da unser Brauner schon einige höhere Pässe gemeistert hatte, dachten wir beim Anblick der Höhenmeter an ein Kinderspiel. Dem war leider nicht so. Der Pass hatte es in sich. In unendlich windenden Serpentinenstraßen schlängelte sich die schlechte Straße nach oben. Jetzt durfte es bloß nicht anfangen zu regnen, denn mit unserer Bereifung wäre das ein gefährliches Unterfangen. Nach drei Stunden kamen wir und die ersten Regentropfen am Pass an. Nach kurzer Verschnaufpause mussten wir schnell runterfahren bevor es schlammig wurde. Kurz vor der Stadt Dir wurden wir dann lautstark von einem Jeep, vollbesetzt mit bewaffneten Anti Terror Scouts überholt. Wir sollten ihnen folgen, hier allein zu fahren wäre zu gefährlich. Also gut, ab hinterher. Wir kamen schneller mit ihnen voran als ohne sie, denn sobald wir in ein Städtchen fuhren wurde die Sirene eingeschaltet und alle sprangen bzw. fuhren auf die Seite. Am Abend brachten sie uns in ein Goverment Guesthouse, Übernachtung natürlich für umsonst. Am nächsten Morgen ging es pünktlich weiter in Richtung Peshawar, der Stadt mit den wohl meisten Bombenanschlägen in Pakistan. Während wir in der Stadt weilten blieb es allerdings ruhig und wir konnten sicher die Basare besuchen. Besonders der Schmuggler-Basar hatte es in sich. Er war der eigentliche Grund warum wir nach Peshawar kamen. Bekannt dafür, dass man dort Waffen a la James Bond kaufen konnte, Schaufenster mit Haschichblöcken gefüllt und gefälschte Dollarnoten leicht zu bekommen sind. Da wir diesen Gerüchten kaum glauben schenkten, wollten wir uns selbst vom Gegenteil überzeugen lassen. So fuhren wir mit dem Taxi zum am stadtrandliegenden Basar. Bereits nach wenigen Minuten im Waffen- und Haschichbezirk kamen Polizisten mit weit aufgerissenen Augen gerannt: „Go back. Here is dangerous area.“ Seit einiger Zeit braucht man eine Genehmigung um diesen Teil des Basars anzuschauen. Wir fragten uns nur, welchen Grund man denn bei der Regierung angeben muss, um ein solches Permit zu bekommen. Nach kurzer Diskussion ging es zurück zu den normalen Verkaufsständen, wobei uns heimlich immer ein Polizist verfolgte.
Nach fünf Tagen in Peshawar ging die Fahrt zurück nach Islamabad. Unsere Probefahrt mit neuem Motor war abgeschlossen und es war Zeit für ein Resumee.









Zurück in Rawalpindi ging es erst mal zum VW-Shop von Moqeem. Nach Begutachtung unseres Busses und Wiedergabe eines Sachbestandsberichts der letzten fünf Wochen stand fest: unser Bus war gut in Form und es mussten keine Reparaturen mehr am Motor nachgeholt werden. Statt dessen lungerten wir noch eine ganze Zeit bei ihm im Shop rum, quatschten und aßen haufenweise Kebabs. Mittlerweile waren wir bei einigen Kunden gut bekannt und so war es für uns erfreulich als wir von Kashef zu einem 4x4-Jeep-Treffen eingeladen wurden. Am darauffolgenden Sonntag ging es los und wir brausten mit einigen zum Teil verrückten Gefährten zu einem Offroadplatz außerhalb von Islamabad. Wir selbst trauten uns nicht ans Steuer, da wir keine Erfahrung mit Schlammdurchfahrten und 45 Grad steilen Hängen hatten. Dennoch hatten wir auf der Rückbank unseren Spaß und kamen schlammverspritzt abends wieder auf dem Campingplatz, unserem Base Camp in Islamabad, an.
Nachdem wir ein paar Verschleißteile am Bus ausgetauscht hatten hieß es für uns Abschied nehmen. Nach wochenlanger Gemeinsamkeit hatten wir Freundschaft mit Moqeem geschlossen und waren traurig weiter fahren zu müssen.
Unsere Fahrt ging über Lahore, Multan nach DG Khan, wo wir 90 km nach der Stadt über die Grenze nach Belutschistan fahren wollten. Auf der anderen Seite der Grenze wartete bereits unser Freund Saif, den, wie der aufmerksame Leser bereits weiß, im letzten Jahr in Quetta kennen gelernt hatten und nun in seinem Dorf wieder sehen wollten. Für die Strecke Multan nach Quetta war allerdings eine gesonderte Genehmigung vom Geheimdienst in Islamabad von Nöten. Bei unserem Aufentlhalt in der Hauptstadt hatten wir bereits versucht an dieses wichtige Papier zu kommen, allerdings wurde unser Antrag abgelehnt. Eine Fahrt durch dieses gefährliche Gebiet, in dem vor wenigen Wochen zwei Schweizer entführt worden waren, wurde nicht genehmigt. Dennoch schlichen wir uns mit einigen geschickten Ausreden bis zur Grenze vor. Am dortigen Schlagbaum war dann Schluß. In den nächsten Stunden versuchten wir in DG Khan noch nachträglich an die Genehmigung zu kommen, allerdings wollte uns die Polizei nicht zum höchsten Polizeibeamten eskortieren, da sie Angst hatten ihre Stellung zu verlieren, wenn der Polizeichef mitbekäme, dass wir bereits bis hierher ohne Papiere gekommen waren. Stundenlang diskutierten wir mit den Beamten hin und her, zanken rum und wollten schon ohne Eskorte zum Chef losfahren. Nun kannten die Polizisten keinen Spaß mehr, stellten sich vor unserem Bus und drohten mit Waffen. Saif versuchte in der Zwischenzeit auf der anderen Seite alle Hebel in Bewegung zu setzen, allerdings hatte er keine einflussreichen Leute auf der Punjabseite. Es half nichts. Wir mussten umkehren und in Richtung Quetta fahren. Nun ließ uns die Polizei keine Sekunde mehr aus den Augen.
Nach drei Tagen Fahrt durch halb Pakistan kamen wir in Quetta an. Saif hier in der Stadt, wie bereits im letzten Jahr, im Häuptlingshaus zu treffen war in unserer einjährigen Abwesenheit unmöglich geworden. Wegen jahrelanger Streitigkeiten zwischen den verschiedenen Clans hatte der Häuptling Krieg mit Saif und seinen Leuten begonnen, bei dem bereits einge Leute getötet wurden. Für Saif war es daher nicht ungefährlich nach Quetta zu fahren, weil dies das Gebiet des Häuptlings war, und ein Besuch in der Stadt für in tödlich enden könnte. So war ungewiss, ob und wo wir ihn treffen konnten. Außerdem hatten wir noch die Polizeieskorte am Hals, die uns in ein Hotel bringen wollte. In Quetta angekommen trafen wir uns mit Rehaan, einem Freund von Saif, der uns half mit einigen wenigen klaren Worten die Polizei abzuschütteln. Einige Stunden verbrachten wir in Rehaans Haus, wurden trotz Ramadans köstlich versorgt und dazu noch reichlich beschenkt (beim Anblick von Ursels einfachen Gummilatschen brach Mitleid bei den Damen des Hauses aus und sofort wurden feine Schuhe aus Dubai hergezaubert, die ab sofort getragen werden mussten). Am Abend dann der Anruf: Saif war in Quetta in einem Haus versteckt und wir sollten dort hin kommen. Kreuz und quer ging es durch die Stadt. Wir vermuteten eine einfache Lehmbehausung als Versteck und waren mehr als überrascht, als wir in einem neuen Gebäude eines Freundes ankamen, der dieses Haus nur aus einem Grund gebaut hatte: Partys. Super ausgestattet mit Swimmingpool, Partyraum mit Hifi-Anlage, Küche, Parkplätze und das wichtigste: eine dicke Mauer um das Gelände. Die Wiedersehensfreude war riesig, besonders unter diesen Umständen. Die nächsten Tage kamen immer wieder Verbündete von Saif, die ihn und uns sehen wollten, uns mit Essen versorgten und täglich eine neue Party feierten, bei dem unser geschmuggelter Alkohol aus Indien endlich vernichtet werden konnte. Saif konnte das Haus natürlich nicht verlassen und auch wir gingen nur einmal mit Farooq in die Stadt um shoppen zu gehen. Während unserer Tage im Versteck fragten wir uns öfters warum wir vor wenigen Wochen den beschwerlichen Weg zum Schmugglerbasar in Peshawar unternommen hatten. Hier im Versteck gab es alles, nur ohne Taliban und ohne Polizei. So machten wir die Bekanntschaft mit Waffen- und Drogenhändlern und hatten überaus interessante Gespräche.
Nach einigen Tagen hatten wir uns entschlossen mit Saif von der Quettaseite aus in sein Dorf zu fahren. Natürlich bräuchten wir auch hier eine Genehmigung, allerdings versicherte uns Saif, dass wenn wir mit ihrem Auto mitfahren und in der pakistanischen Kleidung, dem Shalwar Kameez, gekleidet sein würden, nicht aufzufliegen drohten. Janus hatte in der Zwischenzeit einen stattlichen Vollbart und konnte als afghanischer Handwerker durchgehen und Ursel musste sich so verhüllen, dass nur ihre Augen unter der Verkleidung hervorspitzelten. Ein Auto, in dem eine Frau sitzt wird nie kontrolliert und so sollte unser Plan aufgehen.
Die Fahrt ging also los: mit dabei Dhero und Abdullah, zwei Freunde von Saif, die vor allem dabei waren, um uns drei zu beschützen. Im Gepäck hatten wir neben zahlreichen Waffen noch zwei Kilo Haschisch, die wir für einen Freund mitnehmen sollten. Dass wir jemals zu Drogenschmugglern werden, hätten wir auch nie gedacht. Die sieben Stunden Fahrt verlief problemlos und an den sechs Checkpoints nahm niemand Notiz von uns. Unser erstes Ziel war das Dorf von Abdullah, in dem Saif momentan wohnte, da sein zu Hause zu unsicher geworden war. Bei unserer Ankunft herrschte große Aufregeung: seit Tagen freuten sich die Dorfbewohner uns kennen zu lernen und liefen aus allen Ecken zusammen um uns die Hände zu reichen und uns anzuschauen. Zur Feier des Tages schlachteten sie ein Lamm, das zu einem köstlichen Abendessen zubereitet wurde. Am nächten Tag wurde Ursel dann in die einzelnen Frauenbereiche der Häuser geführt, damit diese sie auch bestaunen konnten. Sofort wurde ein tratitionelles Khetrani-Kleid gebracht und Ursel reingesteckt. Und auch hier, trotz Ramadans wurden wir ständig gut gemästet. Tagsüber unternahmen wir Ausflüge in die Umgebung: unter anderem zu einem atemberaubenden Canyon mit Süßwasserpools, in denen wir baden konnten.
Eines Nachts schreckten wir aus dem Schlaf: wir hörten Maschinengewehre die abgefeuert wurden. Wir erwarteten schon, dass gleich jemand in unser Gästezimmer gestürmt komme würde, aber es blieb danach ruhig. Man erklärte uns am nächsten Morgen, dass das Militär von einer Bergseite auf die andere feuert, damit Rebellen in der Nacht nicht über den Kamm kommen. Ja dann ist ja alles gut.
Drei Tage nach unser Ankunft fuhren wir in der Nacht in Saifs Dorf, um sein Haus und seine Familie kennen zu lernen. Dies war allerdings nicht ganz ungefährlich, denn wir mussten am Dorf des Häuptlings vorbei. Deswegen fuhren wir um unbemerkt zu bleiben bei Nacht. Dhero und Abdullah richteten bereits ihre Kalashnikovs auf das Häuptlingsdorf, während wir im Eiltempo daran vorbei rauschten. Auch in Saifs Dorf, das nicht so groß wie das von Abdullah war, freuten sich die Leute und es wurde mal wieder ein Lamm geschlachtet. Ursel hatte noch die Gelegenheit in den Frauenteil zu gehen und Mutter, Frau sowie Schwestern anzuschauen. Im Schutze der Dunkelheit ging es nach dem Abendessen wieder zurück nach Bibertak, Abdullahs Dorf. Alle waren erleichtert, dass wir unversehrt zurückgekommen waren und am nächsten Tag wurde wieder ein Lamm geopfert.
Nach insgesamt sechs Tagen im Sperrgebiet ging es für uns wieder undercover zurück nach Quetta. Dort angekommen ging es in ein anderes Versteck, ein Haus von Rehaan, wo wir auch diesmal köstlich versorgt wurden. Am zweiten Abend, wir waren gerade wieder am feiern, erhielt Abdullah einen Anruf: sein Cousin, den wir zwei Tage zuvor noch kennen gelernt hatten, wurde erschossen. Nach dieser Nachricht wurden uns erst bewusst wie gefährlich es war in ein solches Gebiet zu reisen. Saif, Dhero und Abdullah mussten sofort zusammenpacken und aufbrechen. Wir waren tieftraurig, dass unser Zusammensein so enden musste. Es war kein gewöhnlicher Abschied, wie sonst für uns von Freunden in Asien. Diesmal war es besonders traurig und bei uns blieb kein Augen trocken, da wir nicht wussten, ob sie die nächsten Monate überleben würden. Gerne hätten wir sie alle mit nach Deutschland genommen, aber sie lehnten dies ab, denn sie mussten hier bleiben und ihre Familie und ihr Land beschützen.
Am nächsten Tag hielten wir es allein im Versteck nicht mehr aus und verließen Quetta in Richtung Grenze. In Dalbandin deckten wir uns nochmal mit Whiskeyflaschen vom Schwarzmarkt ein, ein tolles Mitbringsel für unsere Freunde im alkoholfreien Iran. Nach einer Nacht am Zollhof in Taftan, bekamen wir durch ein gratis Abendessen und eine Dusche zum letzten Mal die unglaublich pakistanische Gastfreundschaft zu spüren.
Am nächsten Morgen hieß es Abschied von Pakistan nehmen. Kein Land hat auf der Reise hatte so einen intensiven Eindruck hinterlassen. Kein Land war so vollgepackt mit Abenteuer, gastfreundlichen Menschen und Andersartigkeiten wie dieses. Wir waren zum ersten Mal richtig traurig ausreisen zu müssen. Nie werden wir vergessen was all diese Menschen uns geholfen und gezeigt haben. Eins ist klar: wir kommen wieder! Pakistan zindabad!
Kleine Pakistan Statistik 2
Reisetage: 79 Tage (davon 41 bezahlte Übernachtungsplätze)
Gefahrene Kilometer: 5775 km
Ausgaben: 10,50 € pro Person & Tag
Unfälle: ein Fahrrad fährt uns in die Seite. Ergebnis: Plastikeck der Stoßstange gebrochen;
Krankheiten: die üblichen Durchfallerkrankungen (bei beiden)
Busprobleme: Bremsscheiben und Bremsbacken mehr als verschließen – ausgetauscht; Reifen abgefahren – erneuert; Kühlrohre angerostet – ausgetauscht;
Motor hatte keine Kompression mehr, daher Motorblock aufgebohrt, Hülsen eingepresst, Kolbenringe erneuert, Lagerschalen und sonstige Dichtungen und Simerringe erneuert; oberes Führungslager der Schiebetür verloren – provisorisch mit einem Stück altem Reifen repariert;
Highlights: entspanntes Shandur Polo-Festival, einzigartiges Kalash-Valley, nie vergessene VW-Werkstatt in Pindi, im wilden Stammesgebiet der Khetran









Iran (August)
Die Grenzformalitäten auf der iranischen Seite gingen recht schnell von statten, es gab nur ein Problem, unsere Pässe wurden uns nicht mehr ausgehändigt. Ab sofort sollte die Polizei bzw. das iranische Militär uns bis zur 550 km entfernten Stadt Bam eskortieren und dabei unsere Pässe einbehalten. In diesem Gebiet sei es laut iranischer Regierung viel zu gefährlich für Ausländer, deswegen sollte wir Begleitschutz bekommen. Klingt ja alles schön und gut. Jedoch hatten wir bereits nach einer Stunde Warterei an der Grenze das Spiel durchschaut. Das Militär ist stinkefaul und obendrein noch verdammt schlecht organisiert. So ließen wir die Beamten mit der Tatsache stehen, dass wir nun ohne Pässe nach Bam fahren würden. Nach 10 km war allerdings Schluß und wir wurden beim ersten Checkpoint unsanft aufgehalten. Zwei weitere Stunden dauerte es dann, bis unsere Pässe und Eskorte organisiert waren und los ging die Fahrt. Da das Gebiet ja so gefährlich ist denkt man, sie wollen einen schnell durchlotsen. Falsch gedacht, alle 25 km gab es einen Eskortenwechsel, der immer wieder seine Stunde in Anspruch nahm bevor es weiter ging. In der Stadt Zahedan, der gefährlichsten Stadt im Iran, werden wir geschlagene drei Stunden von einer Polizeistation zur nächsten gebracht, in der Hitze im Auto sitzen gelassen, während sich die Polizei mit unseren Pässen in klimatisierten Räumen davon versicherte, dass wir Touristen mit gültigem Visa und keine Terroristen sind. Bei über 40 Grad und Ramadan flippen wir aus: während einer Rangelei mit einigen Soldaten gelang es uns einen unserer Pässe an uns zu reißen, dafür wurde Janus dann mit dem Maschinengewehr attakiert. Nachdem sich die Gemüter beruhigt hatten ging es weiter. Nach 12 Stunden und erst 450 zurückgelegten Kilometern hatten wir dann genug und wollten schlafen. Da man uns nicht bei der Polizeistation übernachten lassen wollte, wild campieren ein absolutes No Go war und es weit und breit kein Hotel gab, schupsten wir die beiden Polizisten die rechts und links an unseren Fenstern hingen zur Seite und brausten ohne Eskorte davon. Wir wollten es ihnen heimzahlen und verstecken uns wenige hundert Meter später hinter einem kleinen Hügel auf einem Acker. Die nächsten beiden Stunden konnten wir beobachten, wie Polizeiautos mit Blaulicht und Scheinwerfern nach uns suchten. Allerdings vergeblich und wir hatten eine ruhige Nacht. Ätsch! Am nächsten Morgen fuhren wir dann gemütlich nach Bam und forderten unseren Pass zurück. Für uns ist klar: die Zitrone dieser Reise bekommt das iranische Militär für ihre Dreistigkeit und Unfreundlichkeit!
Nun endlich konnten wir wieder die Schönheiten des Irans genießen. Hier hatte sich für uns einiges geändert. Nach über einem Jahr im Linksverkehr ging es nun wieder auf die richtige Seite der Fahrbahn. Der Unterschied zwischen Pakistan und dem Iran war enorm. Waren wir vor einer Woche noch in einem kleinen Lehmhäuserdorf in Belutschistan mit ständigen Stromausfällen und Wasser aus dem Brunnen, gab es hier alles was das westliche Herz begehrt: schlaglochfreie, asphaltierte Straßen, Kühlschränke so weit das Auge reicht und zurückhaltenden, zivilisierte Menschen.
Da wir bereits auf der Hinreise alle Highlights des Irans abgeklappert hatten, wollten wir diesmal nur unsere iranischen Freunde vom letzten Jahr besuchen. Als erstes ging es für uns nach Shiraz zu Mohammad, Asal und Tochter Melody. Ihre Wohnung kam uns vor wie in einem Traum: alles blitzeblank sauber, einen wohnzimmerschrankgroßen Kühlschrank mit Eiswürfelmaschine und ein eigenes Gästezimmer. Nach 13 Monaten schweißtreibender Handwäsche gab es nun eine kurze Auszeit und wir wuschen alles was wir hatten in ihrem Vollwaschautomat. Yippie!
Da Mohammad und seine Familie am darauffolgenden Tag zu einer Hochzeit nach Europa flogen wurden wir kurzerhand von einer Freundin Asals eingeladen bei ihr zu nächtigen. Wieder eine supermoderne Wohnung. Nach einem letzten Mittagessen bei Rohas Familie fuhren wir weiter Richtung Teheran. Dort wartete bereits Reza, VW-Werkstattbesitzer, der uns im letzten Jahr bereits einige Runden in seinem Pool drehen ließ. Auch dort wurden wir wieder herzlich empfangen, genoßen zwei schöne Abende mit Gegrilltem und Whiskey, benutzen auch hier wieder das Wundergerät Waschmaschine und brachen nach drei Tagen mit neuen Stoßdämpfern (die erst später eingebaut werden sollten) in Richtung iranisch-türkische Grenze auf.
In Tabriz wollen wir gerade nach einer Nacht im Elgoli Park zu einem der wenigen Internetcafes aufbrechen als wir von Pensionär Mohammad eingeladen werden. In seiner Wohnung können wir seinen Internetzugang nutzen und nach Wochen ein Lebenszeichen in die Heimat senden. Nach einer Stärkung machen wir uns an ein neues Projekt: Dieselschmuggel. Mohammad hilft uns einige 20l-Kanister aufzutreiben und besorgt uns die ersten Liter Diesel. Bereits in Pakistan hatten wir eifrig Wasserkanister gesammelt, um sie dann im Iran mit dem wohl billigsten Diesel überhaupt zu füllen. Auch wenn der Dieselpreis innerhalb der letzten Monate von 1,3 Cent auf 13 Cent angestiegen war, errechneten wir uns zu dem Abzockerpreis in der Türkei eine saftige Einsparung.
Am Salzsee Orumiyeh machen wir uns dann für den Grenzübertritt am nächsten Tag bereit. Kanister werden abgewaschen, in unserer Box, im Kofferraum unter einer Plane und in der Dachgepäckwanne verstaut. Um den Dieselgeruch im Fahrzeuginneren zu übertünchen zünden wir kurz vor der Grenze noch einige indische Räucherstäbchen an. Sollten die Beamten jedoch einen dieselartigen Geruch wahrnehmen, positionierten wir zwei kleine 6 Liter-Kanister an der Schiebetür als Ablenkungsmanöver. Wir sind nervös, als wir beim iranischen Zollbüro mitansehen wie Beamte Kanister und Flaschen mit Diesel hereintragen, die soeben von Schmugglern konfiziert wurden. Auch unser Bus wird kurz kontrolliert, allerdings hatten wir so einen Saustall im Bus, dass sie wohl keine Lust hatten das Chaos ausräumen zu lassen. Wir werden durchgewunken. Auf der türkischen Seite erfolgt alles reibungslos und ohne Fahrzeugkontrolle. Liegt wohl an der deutsch-türkischen Freundschaft.
Kurz nach passieren der beiden Grenzposten ließen wir einen Jubelschrei los: wir hatten es geschafft 248 Liter Diesel (zu unseren 40 Litern im Tank) zu schmuggeln. Ein Ersparnis von ca. 350 Euro. Das sollte für die 3000 km reichen...
Kleine Iran Statistik:
Reisetage: 11 Tage (davon 0 bezahlten Übernachtungsplätze)
Gefahrene Kilometer: 3155 km
Ausgaben: 12,70 € pro Person & Tag
Unfälle: keine
Krankheiten: keine
Busprobleme: man mag es nicht glauben, aber keine!!!









Türkei (August bis Oktober)
Mit unseren 248 Litern geschmuggelten Diesel waren wir hoffnungslos überladen und quälten uns im ersten Gang durch die zerklüfte Bergwelt entlang der irakischen Grenze. Bergauf, bergab, immer wieder durch einen der zahlreichen militärischen Checkpoints gestoppt, hinweg durch kleine ursrüngliche Dörfer. Das Kurdengebiet war für uns einer der interessantesten Teile der Türkei. Hier fahren noch halbzerfallene Rostlauben durch die Gegend, das Sofa steht nicht im Wohnzimmer, sondern auf der Straße und die Einheimischen präsentieren muslimische Gastfreundschaft und winken einem eifrig zu. Unser deutsches Kennzeichen ist gern gesehen und ehemalige Gastarbeiter freuen sich mal wieder ihre Deutschkenntnisse einzusetzen: „Du kommen für Picknick in mein Land?“ „Ich gearbeitet viele Jahre in Dortmund.“ „Mein Bruder Dönerbude in Bottropp.“
Als unser Bus nicht anspringen will kommt sogleich ein Kurde auf uns zu: „Auto Probleme? Lasse mich mache, ich Mechaniker.“ Nachdem das Auto wieder rollt: „na, habe doch gesagt, ich helfe gern.“
Unsere erste touristische Station ist Hassankeyf. Ein kleines Örtchen mit einem Canyon, einer alten Festung und Höhlenbehausungen. Unseren Besichtigungzeitpunkt hätten wir nicht unpassender wählen können: Ende des Ramadans und Nationalfeiertag zugleich. Die Gassen sind voll mit essenden und feiernden Kurden. Mädchen beschenken uns mit Süßigkeiten. Hassankeyf ist ein wirkliches Highlight im Südosten. Fragt sich nur wie lange noch, denn die türkische Regierung hat Pläne für einen Staudamm, wobei der Ort und seine Umgebung gefluchtet werden soll. Wir hoffen, dass Kultur- und Umweltschützer sich durchsetzten können und diese einzigartige Gegend nicht untergeht.
Nach zwei Tagen geht die Fahrt weiter über Urfa und Adana Richtung Mittelmeer. In Mersin der erste Schock: selbstbewusste Frauen in Minirock und Trägertop, eine Aneinanderreihung von Megasupermärkte und wir fahren das mit Abstand älteste Auto. Vom Meer sehen wir nicht viel. Eine Betonburg reiht sich an die nächste. Pauschaltourismus soweit das Auge reicht. Mit Mühe finden wir hier Stellplätze zum wild campieren. Wir fühlen uns wie im falschen Film und rasen weiter, an Antalya vorbei, nach Cirali, das wir bereits aus dem letzten Jahr kennen. Dort können wir endlich wieder entspannt am Strand stehen und uns von unserem Kulturschock erholen.
Ganz unverhofft stoßen die beiden Österreicher Kerstin & Rudi zu uns, die wir erst wieder in Europa gedachten zu sehen. Die Wiedersehensfreude ist groß und schnell werden die Ereignisse der letzten Wochen ausgetauscht. Der Strand von Cirali ist bekannt für seine Schildkröten, die zu dieser Jahreszeit schlüpfen sollten. Bei unseren nächtlichen Gängen am Strand entdecken wir jedoch keine. Im Meer allerdings sehen Rudi und Janus beim schorscheln eine sogenannte Caretta Caretta, die allerdings scheu und schnell verschwunden ist.
Nach über einer Woche relaxen geht für uns die Fahrt zurück an den Flughafen von Antalya. Steffi & Christoph aus Mannheim kommen als unsere letzten Heimatbesucher an. Im Gepäck dabei: langersehnte Dosenwurst, deutsche Bücher und zur Abwechslung mal ein Souvenir für uns. Die beiden haben uns ein SPEYER IST SPITZE T-shirt mitgebracht. Stolz werden wir dieses Shirt noch durch Europa fahren dürfen. Die ersten Tage verbringen wir in Cirali, wo wir unsere gemeinsame Zeit planen. Als erstes begeben wir uns auf den lykischen Wanderweg. Was für eine irrsinnige Idee bei 40 Grad wandern zu gehen. Am Tag eins wandern wir nach Tekirova, voll bepackt mit Zelt, Essen ect. Bereits am Mittag ist unser Wasservorrat leer und wir träumen von einem Fass. Nach der Mittagspause entdecken wir eine Wasserquelle. Ein Traum wird wahr: wie ausgetrocknete Kamele hängen wir uns an den Hahn, trinken bis wir einen Wasserbauch haben, bespitzen uns mit dem köstlichen Nass und füllen unsere Flaschen auf. In Tekiroa trifft uns der Schlag. Wir sind mitten in einem russischen Ferienort gelandet, weit und breit kein Platz zum wild zelten. Eine Aneinandereihung glücklicher Umstände verhilft, dass uns ein Taxifahrer in ein türkisches Restaurant bringt und die Bedienung uns dort ein billiges Hotelzimmer organisiert. Am nächsten Morgen geht es frisch gestärkt weiter. Immer entlang der Küste, mit ausreichend Möglichkeiten zum baden. Unser nächster Schlafplatz sollte ein einsamer Strand sein. Nicht jedoch am letzten Ferienwochende in der Türkei. Überall wird gegrillt, die Musik aufgedreht und der Müll liegen gelassen. Wir stellen immer wieder fest, dass die Türken es gern kuschelig haben. Eine Picknickdecke grenzt an die nächste und auch bei Touristen wir keine Distanz gehalten. Das hatten wir uns anderes vorgestellt und wir brechen das wandern ab. Per Anhalter und Minibus geht es zurück nach Cirali, wo wir uns zwei weitere Tage erholen.
Weiter geht die Fahrt über die Nikolaus-Stadt Myra, wo wir eine kleine Besichtigungspause der dortigen Gräber einlegen, nach Kas. Auf der Halbinsel campieren wir bei einem kleinen Strand. Beim abendlichen Sprung ins Meer entdecken wir eine zahme Schildkröte, die sich nicht durch uns vier stören lässt und uns die Möglichkeit gibt über eine halbe Stunde mit ihr zu tauchen. Ein Grund am Abend anzustoßen, so ein Erlebnis muss einfach gefeiert werden.
Am Morgen brennt die Sonne runter, wir flüchten von Kas zum nächsten und wohl schönsten Strand der Türkei, Kaputas. Da es dort keine Möglichkeit zum campieren gibt fahren wir am Nachmittag weiter zum Örtchen Patara, der durch seinen 20 km langen Strand bekannt ist. Durch Zufall finden wir die Zufahrtsstraße zu den Dünen, denken zunächst den ultimativen Schlafplatz gefunden zu haben, bis uns eine Wespen- und Moskitoplage eines Besseren belehrt. Am Morgen flüchten wir auch dort mit zahlreichen Bissen und landen in der Saklikent-Schlucht. Zu Beginn sind wir von den dortigen Touristenhorden geschockt und marschieren mit Skepsis in den Canyon. Bereits nach einigen Hundert Meter sind die Massen von dannen und wir hatten diese unglaubliche Landschaft für uns. Die Nacht verbringen wir auf dem Parkplatz der Schlucht und erleben unseren ersten Regen seit Pakistan.
Unsere nächste Station lautet Fethiye. Da wir noch ein wenig Geld von unserer Hochzeit übrig hatten beschließen wir das Geld bei einer Blauen Reise auf den Kopf zu hauen. Bereits in der ersten Agentur sind wir an der richtigen Stelle und buchen eine vier Tages-Tour.
Die Mavi Boncuk erweist sich als das schönste Segelboot in der Gegend. Wir hatten bereits mit spatanischen Zimmer und rationierten Wasservorräten gerechnet als wir eine gemütliche Kabine mit eigenem Bad bekommen. Mit uns an Bord sind eine italienische Familie, vier deutsche Freunde und ein Paar aus Frankfurt. Wir verstehen uns auf Anhieb und fühlen uns wie in einem Ferienlager, bei dem man innerhalb weniger Tage Freundschaften schließt und am Ende traurig ist, wenn man sich trennt. Die vier Tage auf dem Boot sind das entspannenste was wir bisher in der Türkei erlebt haben. Rundum werden wir vorzüglich verköstigt, legten genüg Pausen zum baden und schnorscheln ein und bekommen in Kas und Kaleköy die Möglichkeit an Land zu gehen und die Städtchen zu besichtigen. Tagsüber üben wir uns im gemeinsamen Arschbombenspringen und am Abend wird getrunken und gelacht. Auch hier sehen wir wieder Schildkröten und das leuchtende Plankton der Nacht. Dazu muss man (am besten bei Neumond) ins dunkle Wasser springen und mit den Armen und Beinen wedeln. Das im Wasser vorhandene Plankton leuchtet durch die Bewegung. Nach vier Tagen trennen sich unsere Wege und wir fahren mit Steffi & Christoph zurück nach Fethiye. Die letzten beiden Tage wollen wir überhalb der Schmetterlingsbucht verbringen. Während die beiden sich ein Bungalow leisten dürfen wir für umsonst campieren und Pool sowie Internet mitbenutzen. Die Wanderung runter in die Bucht ist nichts für Unsportliche und Flip-Flop-Träger. Einige Abschnitte sind so steil, dass Seile am Fels befestigt sind, die das Ab- oder Aufsteigen erst ermöglichen. Die Bucht ist wunderschön und die Kletterei lohnt sich auf alle Fälle.
Am nächsten Morgen packen wir eine Tasche mit Souvenirs, die Steffi & Christoph mit nach Hause nehmen. Am Flughafen lassen uns Sicherheitskräfte nicht allzu lang verabschieden und das Abschiedbier muss schnell getrunken werden. Viel zu schnell gingen 19 gemeinsame Tage vorbei. Unser Wiedersehen dauert allerdings nicht mehr allzu lange.









Nachdem wir Steffi & Christoph beim Flughafen in Antalya verabschiedet hatten ging es für uns zurück nach Cirali. Für uns einer der besten Orte in der Türkei, wo man tagelang direkt am Meer wild campieren kann. Auf dem Weg dorthin nahmen wir mal wieder einen Anhalter mit. Ches aus San Fransisco widerlegte unsere Vorurteile vom oberflächlichen Amerikaner und zu unserer Überraschung teilte er unsere Ansichten über Reisen in muslimische Länder. In Cirali war mittlerweile Nebensaison, kaum noch Normalurlauber, dafür aber eine Reihe deutscher Rentner, die sich ebenfalls am wilden campieren erfreuten. Was wir auf der Reise lernten und sich hier wieder bestätigte, war dass man hier oft die irrwitzigsten Menschen kennen lernt, die man in seinem normalen Leben zu Hause nie angesprochen hätte. Nicht selten treffen wir dabei auf weltoffene und liebenswürdige Zeitgenossen. In Cirali senken wir deutlich den Altersdurchschnitt der Camper und gelten als die Hippies vom grünen VW-Bus. Nach einer guten Woche Sonnenschein, Hängematte und Efes soll unsere Fahrt weiter gehen. Man sagte uns, dass es in den nächsten Tagen hier regnen soll, kaum zu glauben bei dem blauen Himmel.
Wir fahren zum Iztusu-Strand bei Dalyan. Enttäuscht stellen wir dort fest, dass der Strand Eintritt kostet und ein dortiges übernacht Parken verboten ist. Wir drehen genervt um und biegen in Wald auf eine unbekannte Straße ab. Am Ende dieser Straße gelangten wir zu einem super Aussichtspunkt oberhalb des Strandes. Ein perfekter Ort zum nächtigen. Am Abend zieht ein heftiger Wind auf und wir verstauen alles im Bus. Kurz danach fallen die ersten Regentropfen. Die nächsten Tage fahren wir ziellos hin und her, was soll man sonst im Dauerregen machen? Eine Besserung ist nicht in Sicht und das halbe Land steht unter Wasser. Einen Schlafplatz in einem Acker zu finden ist aussichtslos, ein einziges Schlammloch. Die Aussichten für die nächste Woche stehen schlecht und so fahren wir früher wie geplant nach Istanbul. Auf dem Weg dorthin machen wir einen ungeplanten Zwischenstopp in Bursa. Nicht irgendwelche Sehenswürdigkeiten zwingen uns zum Halten, sondern ein dickes Schild auf dem steht: BAUHAUS. Das gibts doch gar nicht. Wir halten und schlendern zwei Stunden, natürlich ohne etwas zu kaufen, durch den Baumarkt. Wir fahren weiter, dann die nächsten Schilder: IKEA und MEDIA MARKT. Wir sind platt. Nach weiteren Stunden mit aufgerissenen Augen und offenem Mund sind wir fix und fertig. Am Abend können wir kaum einschlafen, so reizüberflutet sind wir.
Am nächsten Morgen verlassen wir nach fast anderhalb Jahren Asien und setzen mit der Fähre über auf den europäischen Teil Istanbuls. Wir winken noch mal von der Fähre unserer schönen Zeit hinterher und freuen uns nun wieder in unserer Hochzeitsstadt zu sein, in der Stadt wo alles began.
Die letzten Wochen hatten wir Email-Kontakt mit Esther & Markus aus Speyer, die mit ihren Motorrädern auf dem Weg nach Nepal sind. Wir kannten uns zwar nicht, aber Spey´rer halten, besonders in der weiten Welt, zusammen. Ein blind date sollte irgendwo an der Küste erfolgen. Nun waren wir allerdings früher in Istanbul und hatten ein Treffen bereits aufgegeben, als wir nichts ahnend in der 15 Millionen Metropole in einem Sträßchen zwei Motorräder an uns vorbei fahren sahen, die kurz danach an einer Ampel halten mussten. Ein kurzer Blick: deutsches Kennzeichen, langes Haar, sowohl Mann als auch Frau, das müssen sie sein. Und Tatsache: es waren Esther & Markus die soeben Istanbul verlassen wollten. Was für ein Zufall. Sie drehten nochmal für eine Nacht um und wir konnten bei Pide & Efes unsere Tipps & Geschichten zum Besten geben.
Istanbul gefällt uns wieder super. Eine tolle Stadt, in der so manches anders ist. So zum Beispiel der allzu beliebte Döner. Dieser besteht hier aus einem halben Weißbrot, mit wenigen Streifen Hühnchenfleisch, wo sich ein paar Pommes dazwischen mogeln. Eine trockene Angelegenheit, also noch einen Klacks Ketschup & Majo oben drauf. Das Ganze ist dann für den Spottpreis von 0,80 € zu erhalten.
Eine weitere Abnormalität Istanbuls sind die herumstreunernden Katzen. Wo sonst herrenlose Hunde die Stadt unsicher machen, werden die Katzen hier überall geduldet, sei es mitten in der Warenauslage oder am Tresen einer Kneipe. Nationalsport der Istanbuler ist das Angeln. Auf der Galatabrücke stehen jeden Tag Hunderte von schnurrbärtigen Hobbyanglern. Kaum zu glauben, dass bei dem ganzen Fährbetrieb und Kreuzfahrtschiffen überhaupt noch Fische im Wasser sind. Jedoch können wir immer wieder mit ansehen, wie halbwegs grillbare Fische am Haken zappeln.
In Istanbul musste einiges organisiert werden: unser Laptop ließ sich nicht mehr hochfahren, wir wollten uns zum letzten mal mit VW-Teilen eindecken, das Problem unseres unangemeldeten und TÜV-losen Fahrzeugs musste vor Eintritt in die EU geklärt werden (dazu Näheres im nächsten Reisebericht), unser Hochzeits-Herbergsvater Ilker wollten wir wieder sehen und zu guter Letzt mussten wir unsere zerrissene und löchrigen Klamotten durch Neue ersetzen.
Zuvor zogen wir allerdings von unserem Bus zu Türkin Ceyda ins Kneipenviertel Taksim. Ceyda hatten wir im März im indischen Kolkata kennen gelernt. Sie war dort mit dem deutschen Robert unterwegs, denn wir 2010 in Pakistan als Anhalter mitgenommen hatten. In ihrer WG mit zwei deutschen Erasmus-Studenten gab es endlich wieder die langersehnte Waschmaschine, uneingeschränkter Internetzugang und ein warmes Bett.
Nachdem es jetzt schon über eine Woche dauerregnete und ein ständiger Wind pfiff, war es nur eine Frage der Zeit, bis wir uns eine Erkältung zuzogen. Nur gut, dass wir bei Ceyda uns aufkurieren konnten und nicht im Bus am Straßenrand Mitten in Istanbul.
Nach 13 Tagen hatten wir unsere To-Do-Liste abgearbeitet, einige Couchsurfing-Plätze auf dem Weg nach Deutschland klar gemacht und uns erholt. Auf zum Endspurt: Osteuropa wir kommen!
Kleine Türkei-Statstik 2:
Reisetage: 56 Reisetage (davon 10 bezahlte Schlafplätze)
Gefahrene Kilometer: 4175 km
Ausgaben: 12 € pro Person & Tag
Unfälle: keine
Krankheiten: Erkältung (bei beiden)
Busprobleme: keine
Highlights: Entspannen auf der Blauen Reise, Sonne pur in Cirali, unser Istanbul









Europa (Oktober bis November)
Im Mai 2010 hatten wir in Deutschland unsere KFZ-Zulassung und Versicherung gekündigt und kurvten die letzten 18 Monate mit einem Duplikat als Nummernschild umher. Kein Problem in Asien, denn wen juckt dort eine deutsche Straßensteuer. Alles ging gut, wir hatten keinen Unfall oder ähnliches. Nun stand die EU vor uns. Eine Lösung musste her. Dass unser Brauner auf den letzten Kilometer uns abgenommen wird, konnten wir auf keinen Fall zulassen. Wir prüften zahlreiche Möglichkeiten, es gab allerdings nur 2: No.1 wir holen uns in Deutschland einen Hänger und bringen den Bus so nach Hause oder No 2. wir versuchen es einfach mit unseren alten Schlidern. Der Leser selbst soll seine Fantasie benutzen, wie wir es letzendlich nach Hause geschafft haben. Nur so weit, es war unser letztes Abenteuer, wobei wir bei den zahlreichen Grenzübergängen immer mächtig schwitzten.
Nach einer Desinfektion des Autos waren wir im ersten EU-Land Bulgarien. Wir fühlten uns mehr wie in Rußland, nicht wie im geregelten Europa. Kyrillische Schrift, Männer mit Pelzmützen, Holzbabuschkas und allerlei Kommunismus-Souvenirs, wie Gasmasken oder rote Stern-Anstecker. In der Hauptstadt Sofia versuchen wir uns zum ersten Mal an Couchsurfing. Hintergrund dieses Internetprotals ist es Reisenden eine Couch zur Verfügung zu stellen, um ihnen zum einen Übernachtungskosten zu sparen und zum anderen einen Einblick in das normale Leben der Einheimischen zu gewähren. Die Adresse, die wir von Bruna & Victor per Email mitgeteilt bekamen, suchten wir stundenlang vergeblich. Sogar mit Hilfe der Polizei konnten wir die Wohnung nicht finden. Nur zu gut, dass wir unser Bett ja immer dabei haben, nur eine warme Dusche vermissten wir doch sehr. Am nächsten Morgen ging es erst mal auf Sightseeingtour durch die Stadt. Sofia ist klein, übersichtlich und hat nur eine handvoll Sehenwürdigkeiten. Besonders viele Kirchen gab es, wobei wir entsetzt die orthodoxen Gläubigen beobachten konnten wie sie ihre Heiligenbilder küssten. Am Abend schafften wir es doch noch uns mit den beiden Couchsurfern zu treffen. Wir ließen uns einfach an einem Einkaufscenter abholen. Endlich gab es wieder eine warme Dusche und ein kaltes Bier.
Am nächsten Tag fuhren wir weiter nach Serbien (kein EU-Land). In Belgrad hatten wir wieder einen Couchsurfer gefunden. Marko war ein Spitzen-Gastgeber und hieß uns in seiner modernen Wohnung willkommen. Er hatte außerdem noch viel Zeit uns die Stadt zu zeigen und uns vom Krieg zu berichten. Am letzten Abend entführte er uns noch in ein uriges Lokal, wo wir zu Cevapcici, Bratwürsten und Schnitzel eingeladen wurden. Wir hatten ganz vergessen, wie toll die Wurst in Europa ist. Weiter ging die Fahrt nach Novi Sad, ein kleines Städchen mit Festung, wo wir einen Tag verbummelten, bevor es weiter zu den Seen von Palic ging. Wir hatten Glück mit dem Wetter, seit Tagen blauer Himmel und Sonnenschein, dazu die wunderschönen Herbstfarben. Wie schön doch Europa ist.
Nach Serbien ging die Fahrt wieder in die EU. Diesmal nach Ungarn. Auf dem Weg nach Budapest macht es am rechten Vorderrad einen Schlag. Die Gummimelalllager am Achsschenkel waren kaputt. Zum Glück hatten wir uns in Istanbul noch mit Ersatzteilen eingedeckt und hatten nun das passende Teil da. In einer Seitenstraße machten wir uns ans Reparieren, allerdings war das alte Teil so angerostet, dass es sich nicht lösen ließ. Wir hämmerten und sägten eine Stunde erfolglos bis zwei Handwerker vor uns standen und uns mit gebrochenem deutsch anmotzten: „wie du probieren schon eine Stunde? Warum du nicht kommen über die Straße, ich helfe!“ Gesagt getan, eine Horde von Bauarbeitern hämmerte in fünf Minuten die Teile raus und die anderen rein und weiter ging die Fahrt. In Budapest erwarteten uns die Couchsurfer Kata & Laszlo in ihrer tollen Altbauwohnung im Stadtzentrum. Immer mehr waren wir begeisterte Couchsurfer. Was für eine tolle Idee, fremden Menschen einen Einblick in dein Leben zu geben. Wir revancierten uns für die Gastfreundschaft mit einem scharfen indischen Essen. Budapest gefiel uns super. Alte Häuser, Paläste, gepflasterte Gässchen und kleine Cafes. Wir blieben leider nur zwei Tage und hätten aber noch ewig hier bleiben können.
Weiter ging es also nach Österreich. In Wien fühlen wir uns trotz unserer neuen Klamotten wie zwei Zigeuner. Pullunderträger, Sektglashalter und Königspudelausführer sind einfach nicht unsere Welt. Im Schnelldurchlauf klappern wir die Sehenwürdigkeiten ab und finden uns am Abend nach langer Abstinenz bei Aldi an der Kasse wieder. Lecker, billig, gut und garantiert kein Durchfall. Nach einer Nacht an einem Rasthof schauen wir noch schnell im Städtchen Graz vorbei. Unser Hauptbeschäftigung dort ist Leute beobachten. Wir platzieren uns auf einer Parkbank in der Fußgängerzone und betrachten mit Abstand die Mitteleuropäer. Das sind also wir. Gepflegt, gebildet und scheu. Keiner schaut nach dem anderen, jeder kann halbwegs machen was er will. Auch nicht schlecht, dieses Lebenskonzept. Am Abend werden wir bei Kerstin & Rudi, unsere beiden längsten Reisegefährten, erwartet. Die beiden sind seit einer Woche wieder zu Hause in Kärnten und hielten ihr monatelanges Versprechen uns Senfgurken aufzutischen. Es gab eine zünftige Jause mit literweise Villacher Märzen. Bei ihnen in der Wohnung lebten wir uns schon langsam wieder in den europäischen Alltag ein. Wir schauten Fern: Lindenstraße, Weltspiegel, Tagesschau und Tatort: 3:05 Stunden pures Glück. Nach einigen Tagen waren wir genug gemästet und fuhren über die Grenze nach Deutschland. Bei Bad Reichenhall versteckten wir uns für die Nacht am Waldrand, um dann am nächsten Morgen sogleich die KFZ-Zulassungsstelle aufzusuchen und ein Kurzzeitkennzeichen zu besorgen. Gleich darauf fuhren wir unseren Braunen beim Zoll vor, um einen EU-Stempel in unser Carnet zu bekommen. Weiter ging danach die Fahrt nach München, um unser Carnet zurückzugeben.
Unsere fünf letzten Reisetage durch Deutschland wollten wir genießen. Nur wenige Kilometer am Tag fahren, Freunde besuchen und uns langsam wieder an heimatliches Essen und die zahlreichen Biersorten gewöhnen. Unser Etappenplan sah wie folgt aus:
- München: Hannes (Reisegefährte aus Nepal): Schnitzel und Bratkartoffeln
- Ludwigsburg: Doro (Trauzeugin von Ursel): Lasange
- Kraichtal: Fabian (Reisefreund mit Overlanderfahrung): Sauerkraut, Bratwurst & Kartoffelbrei
Am 13.11.2011 hieß es von unserem Reiseleben Abschied nehmen. Nach 582 Reisetagen und 12 Platten fuhren wir gerührt nach Römerberg ein. Dort bereiteten uns unsere Familien einen wunderschönen Empfang. Auch wenn wir uns in Asien heimisch fühlten, kommen wir immer gerne wieder zurück nach Hause.
Kleine Europa-Statstik:
Reisetage: 22 Reisetage (davon 0 bezahlte Schlafplätze)
Gefahrene Kilometer: 2630 km
Ausgaben: 15,50 € pro Person & Tag
Unfälle: keine
Krankheiten: Durchfall (bei beiden)
Busprobleme: Gummimetalllager defekt – ausgetauscht; Stoßdämpferabdeckung verloren – neue gebastelt;
Highlights: Käse, Wurst, Bier, Brot...
Fazit unserer Reise:
Nach nun einer Rucksack- und einer Busreise durch Asien steht für uns fest: mit dem eigenen Fahrzeug erlebt man zwangsläufig mehr Abenteuer und ist näher am Leben der Einheimischen bzw. kann tiefer ins Landesinnere vordringen. Die nettesten Menschen auf der Reise hatten wir sowieso nur kennen gelernt, da etwas an unserem Bus kaputt war. Und das war ja bekanntlich sehr oft der Fall. Im Gegenzug dazu hat man für ein Fahrzeug mehr Verantwortung, kann es nicht einfach mal so im Land verkaufen oder zurücklassen.
Unsere diesmalige Länderauswahl führte uns vor allem durch die muslimische Welt. Die von zu Hause mitgebrachten Vorurteile wurden ins Gegenteil umgewandelt. Noch nie wurden wir so offenherzig mit Gastfreundschaft überschüttet wie dort. Immer war ein Moslem zur Stelle, der uns weiterhalf oder beherbergte. Selbst als Frau wurde Ursel immer respektvoll behandelt und nie als minderwertiger Gesprächspartner angesehen. Uns ärgert es immer wieder, wenn Muslime mit Terroristen und Kipnappern gleichgestellt werden. Gerade die Menschen im Iran und in Pakistan haben uns gezeigt was Völkerverständigung bedeutet.
Indien hatte uns geschockt. Wir hatten zum einen vergessen wie überbevölkert dieses Land ist und zum anderen wie respektlos die Leute dort sein können. Auf unserer ersten Asienreise ist uns dies nie so aufgefallen, aber damals kannten wir auch noch keine muslimischen Länder und konnten uns abends immer in einem Gästehauszimmer verstecken. Als Camper ist man den Indern hoffnungslos ausgeliefert. Die Straßen Indiens sind das Gefährlichste auf der ganzen Reise gewesen. Nie wieder wollen wir dieses Land mit dem Auto bereisen.
Nepal, unser Zielland, hatten wir uns ganz anders vorgestellt. Weniger Touristen und mehr Berge. Dass das halbe Land mit Dschungel überzogen ist überraschte uns und die Berge waren immer so weit weg, dass man tagelang hinlaufen musste. Die netten Einheimischen machten dies allerdings wieder wett und wir hatten eine angenehme und vor allem stressfreie Zeit.
Wir wünschen gerade den vorurteilsgeplagten Ländern Iran und Pakistan, dass sie durch unsere Berichte mehr Anhänger bekommen und die Menschen in Europa offener mit deren Bewohnern umgehen. Der Weltfrieden hängt nicht nur von Regierungen ab, sondern von jedem Einzelnen. Asalam aleikum!








